E3648/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Gemäß §29 Abs1 LSD-BG idF BGBl I 174/2021 begeht ein Arbeitgeber unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer - im Unterschied zur Rechtslage vor der Novelle BGBl I 174/2021 - nur eine einzige Verwaltungsübertretung, die mit einer (einzigen) Geldstrafe zu bestrafen ist. Gleichzeitig wird eine Höchstgrenze für diese Geldstrafe festgelegt, während eine Untergrenze (Mindeststrafe) entfallen ist.
Die durch die Novelle BGBl I 174/2021 geänderten Strafbestimmungen §§26 bis 28 und §29 Abs1 LSD-BG traten mit 01.09.2021 in Kraft und sind gemäß dem eindeutigen Wortlaut des §72 Abs10 letzter Satz LSD-BG auf alle in diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem VwGH und dem VfGH anzuwenden. Der Gesetzgeber hat mit dieser Übergangsbestimmung erkennbar das Ziel verfolgt, in allen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen anhängigen Strafverfahren wegen Lohn- und Sozialdumpings, unabhängig davon, vor welcher Behörde oder welchem Gericht ein solches Verfahren gerade anhängig war, die Anwendung derselben Gesetzeslage sicherzustellen.
Der Beschwerdeführer wurde im vorliegenden Fall wegen Unterentlohnung von 14 Arbeitnehmern zu 14 (einzelnen) Geldstrafen (bzw jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen) gemäß §29 Abs1 LSD-BG, idF BGBl I 44/2016, bestraft und über ihn ein Verfahrenskostenbeitrag verhängt. Diese Rechtsanwendung ist einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gleichzuhalten. Da der VfGH nach der Übergangsbestimmung, §72 Abs10 letzter Satz LSD-BG idF BGBl I 174/2021, jedenfalls die neue Rechtslage anzuwenden hat, ist die Entscheidung daher wegen Verletzung des durch Art1 1. ZPEMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts im Umfang der Spruchpunkte II. und III. aufzuheben (Ablehnung der Behandlung der Beschwerde im Hinblick auf Spruchpunkt I. betreffend den Entfall des Wortlauts "gemäß § 9 Abs 1 VStG").