JudikaturVfGH

E139/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
08. Juni 2021

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat am 22.10.2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Mit Schreiben vom 05.11.2015 wurde über Amtshilfeersuchen eine ergänzende Sprach- und Textanalyse zur Feststellung der Herkunft des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Deutschland, veranlasst. Der Beschwerdeführer wurde vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 15.07.2016 verständigt, ihm wurde eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt und der Beschwerdeführer wurde gleichzeitig ersucht, allfällige, sein Privat- und Familienleben betreffende Änderungen seit Erlassung des angefochtenen Bescheides mitzuteilen und entsprechende Bescheinigungsmittel vorzulegen. Dem ist der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27.07.2016 nachgekommen. Anschließend hat das BVwG, wie aus dem Gerichtsakt ersichtlich, über vier Jahre keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt. Mit Schreiben vom 22.10.2020, zugestellt gemäß §21 Abs8 BVwGG am 27.10.2020, hat das BVwG dem Beschwerdeführer ein aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation übermittelt, eine Frist zur Stellungnahme bis zum 03.11.2020 (Einlangen beim BVwG) eingeräumt und den Beschwerdeführer gleichzeitig ersucht, allfällige, sein Privat- und Familienleben betreffende Änderungen seit Erlassung des angefochtenen Bescheides mitzuteilen und entsprechende Bescheinigungsmittel vorzulegen. Dem ist der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.11.2020 samt Beilagen nachgekommen. Am 01.12.2020 wurde das angefochtene Erkenntnis erlassen.

Wie der VfGH in seinem Erkenntnis VfGH 24.11.2020, E3765/2020 mit näherer Begründung festhält, entspricht diese Vorgangsweise - die lange, ausschließlich ihm selbst zuzurechnende Untätigkeit des BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und in der Folge die Einräumung einer unangemessen kurzen, nämlich knapp einwöchigen Frist für eine, umfangreiche Auseinandersetzungen mit einer fünfjährigen Entwicklung erfordernden Stellungnahme unmittelbar vor Erlassung des Erkenntnisses - nicht den Anforderungen, denen ein Ermittlungsverfahren aus gleichheitsrechtlicher Sicht zu genügen hat, sondern kommt dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und einem Ignorieren des Parteivorbringens überhaupt gleich.

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