JudikaturVfGH

V530/2020 (V530/2020-11) – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
09. März 2021

Gesetzwidrigkeit der bereits mit 30.04.2020 außer Kraft getretenen Wortfolgen "sowie von Freizeit- und Sportbetrieben" und "oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben" in §1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmenverordnung-96), BGBl II 96/2020.

Vor dem Hintergrund der Bedenken (fehlende gesetzliche Deckung in §1 COVID-19-MG und unzureichende Bestimmtheit iSd Art7 Abs1 EMRK) stehen die beiden angefochtenen Wortfolgen in einem untrennbaren sprachlichen Zusammenhang. Hingegen besteht kein derartiger Zusammenhang zur Ausnahmeregelung des §2 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 (idF BGBl II 110/2020), weil keiner der einzelnen Tatbestände einen Bezug zu Freizeit- bzw Sportbetrieben aufweist. Bei den mit den angefochtenen Wortfolgen geregelten Tatbeständen handelt es sich um selbständige rechtliche, vom Rest der Bestimmung des §1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 trennbare Verhaltensanordnungen. Ihre Aufhebung würde der Regelung keinen völlig veränderten, dem Verordnungsgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt verleihen, weil damit das allgemeine System des Betretungsverbotes mit Bereichsausnahmen (im Wesentlichen für sogenannte systemrelevante Betriebe) bestehen bliebe.

In dem vom BMSGPK vorgelegten Verwaltungsakt, der der Erlassung der Stammfassung der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, BGBl II 96/2020 vom 15.03.2020, zugrunde liegt, wird unter der Rubrik "Sachverhalt" ausgeführt: "Die BReg hat auf Grund der aktuellen Situ[at]ion beschlossen, das Betreten von Geschäften ab MO 16.3. (mit Ausnahmen) zu verbieten, und den Betrieb von GastroUnternehmen mit 17.3.2020". Darüber hinaus finden sich in diesem Verwaltungsakt keine weiteren, im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage des §1 COVID-19-MG relevanten Ausführungen oder Unterlagen.

Damit genügen die angefochtenen Wortfolgen in §1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 den Vorgaben des §1 COVID-19-MG schon aus diesem Grund nicht:

Die Entscheidungsgrundlagen, die im Verordnungsakt zur COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 in der Stammfassung BGBl II 96/2020 dokumentiert sind, reichen nicht aus, um den aus §1 COVID-19-MG folgenden Anforderungen an die Dokumentation einer auf diese Gesetzesbestimmung gestützten Verordnung im Hinblick auf §1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 Rechnung zu tragen. Es ist aus den Verordnungsakten nicht ersichtlich, welche Umstände im Hinblick auf welche möglichen Entwicklungen von COVID-19 den Verordnungsgeber bei seiner Entscheidung, das Betreten von Freizeit- und Sportbetrieben iSd §1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 zu untersagen, geleitet haben (vgl (E v 01.10.2020, V405/2020 sowie E v 01.10.2020, V392/2020).

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