KI18/2019 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) hat die Verneinung seiner Zuständigkeit zur Behandlung der erhobenen Maßnahmenbeschwerde gegen die "zwangsweise Kindesabnahme" durch "Beamtinnen der BH und der Polizei" vom 07.06.2019 im Wesentlichen damit begründet, dass ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung vorliege, weshalb die Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen sei. Diese Verneinung der Zuständigkeit erfolgte in Bezug auf das Einschreiten der Organe der Kinder- und Jugendhilfe im gegebenen Zusammenhang - Rückholung eines Pflegekindes aus der Obhut der privatrechtlich als Verwaltungshelfer bestellten Pflegeeltern - nach der geltenden Rechtslage zutreffend.
Mit ihrem an das Bezirksgericht gerichteten Antrag vom 04.07.2017 haben die Antragsteller, gestützt auf §107a AußStrG iVm §211 ABGB, die Feststellung bzw die Verfügung begehrt, die zwangsweise Abnahme des Pflegekindes sei unzulässig und das Pflegekind sei den Pflegeeltern zurückzugeben. Zwar hat das Bezirksgericht die Zurückweisung dieser Eingabe der Antragsteller in seinem Beschluss vom 05.07.2019 damit begründet, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger bei seinem Verlangen nach Herausgabe des Kindes in Vollziehung des NÖ KJHG "im Rahmen der Verwaltung" handle, weshalb die Maßnahme nicht der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliege und eine gerichtliche Zuständigkeit nicht gegeben sei. Die im Instanzenzug angerufenen Obergerichte haben diese Entscheidung jedoch korrigiert: Das Landesgericht hat dem Rekurs der Antragsteller mit Beschluss vom 22.08.2019 nicht Folge gegeben und dies damit begründet, dass kein Fall des §211 ABGB (§107a AußStrG) vorliege. Der OGH hat den Revisionsrekurs mit seinem Beschluss vom 24.10.2019 - unter Bestätigung der Rechtsauffassung, dass kein Fall einer Maßnahme iSv §107a AußStrG iVm §211 ABGB vorliege - zurückgewiesen.
Demnach haben die angerufenen Zivilgerichte im Lichte der Beschlüsse des Landesgerichts bzw des OGH die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht schlechthin verneint, sondern lediglich ausgesprochen, dass der ausdrücklich auf §211 ABGB iVm §107a AußStrG gestützte Antrag mangels Maßgeblichkeit dieser Bestimmung im Verhältnis zwischen dem Kinder- und Jugendhilfeträger und den von ihm beigezogenen Pflegeeltern nicht zulässig sei. Der VfGH vermag dieser Beurteilung aus den oben näher dargelegten Gründen nicht entgegenzutreten: Die Abnahme des Pflegekindes erfolgte nämlich nicht als Eingriff in die Rechte Obsorgeberechtigter nach §211 ABGB, sondern vielmehr durch den obsorgeberechtigten Jugendwohlfahrtsträger gegenüber Pflegeeltern, welche der Jugendwohlfahrtsträger auf privatrechtlicher Grundlage beigezogen hatte. Für Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis ist jedoch nicht das Verfahren nach §107a AußStrG iVm §211 ABGB maßgeblich. Die angerufenen ordentlichen Gerichte haben daher ihre Zuständigkeit nicht schlechthin verneint, sondern in Bezug auf den einzig geltend gemachten Anspruch (§211 ABGB iVm §107a AußStrG) im Ergebnis eine inhaltlich abschlägige Entscheidung getroffen.
Das LVwG und das Bezirksgericht haben daher, soweit es um das Handeln des Kinder- und Jugendhilfeträgers geht, jeweils zu Recht die Behandlung der jeweils gestellten Anträge abgelehnt. Kein Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes.