E1832/2019 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Im System der §27 Abs1 StbG und §28 StbG (ex lege Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft ohne behördlicher Entscheidung bzw Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit) kommt dem Verfahren zur Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §28 StbG insofern grundrechtliche Bedeutung zu, als die Behörde anlässlich eines Antrages auf Beibehaltung der Staatsbürgerschaft die Folgen eines allfälligen Verlustes auf ihre Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Art8 EMRK prüfen kann und muss. Gegebenenfalls besteht ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung der Staatsbürgerschaft gemäß §28 StbG.
Vor diesem Hintergrund ist der mit BGBl 394/1973 zur Vermeidung von Härtefällen in das StbG 1965 eingefügte und nunmehr in §28 Abs1 Z1 StbG normierte Tatbestand, dass "aus einem besonders berücksichtigungswürdigen Grund" die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft im Interesse der Republik liegt, auch dann erfüllt, wenn der gesetzlich angeordnete Verlust der Staatsbürgerschaft eine Verletzung des durch Art8 EMRK gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens und damit einen Verstoß gegen die Verpflichtung der Republik Österreich zur Gewährleistung dieses Konventionsrechts bedeuten würde. Denn es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, dass entsprechend gewichtige Gründe des Privat- und Familienlebens die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit nur begründen können sollen, wenn die Staatsbürgerschaft durch Abstammung (siehe §28 Abs2 StbG), nicht aber, wenn sie auf anderem Weg, insbesondere durch Verleihung, erworben wurde (also ein Fall des hinsichtlich des Erwerbes der Staatsbürgerschaft allgemeinen §28 Abs1 StbG vorliegt).