JudikaturVfGH

E2212/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. Februar 2017

Werden Wirtschaftsgüter unter Vorbehalt eines Fruchtgenusses, eines Wohnrechts oder eines anderen Nutzungsrechts unentgeltlich auf eine Privatstiftung übertragen, erhält diese nach der Rechtsprechung des VwGH nur den um das Nutzungsrecht verminderten Vermögenswert zugewendet (vgl zB VwGH 23.02.2010, 2008/15/0097, wonach es sich um ein vorbehaltenes Recht handeln muss; VwGH 31.03.2011, 2007/15/0158, wonach die Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts wirtschaftlich betrachtet keine Gegenleistung für die Eigentumsübertragung ist).

Ohne diese Rechtsprechung zu beachten, hat das Bundesfinanzgericht bei der Bewertung der Zuwendung an die Stifterin den Wert des auf den einzelnen Immobilien lastenden Fruchtgenussrechts nicht zum Abzug zugelassen. Dem Bundesfinanzgericht ist zwar darin zu folgen, dass die Zuwendung mit jenem Betrag anzusetzen ist, der für das einzelne Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Zuwendung hätte aufgewendet werden müssen (§15 Abs3 Z2 litb EStG 1988). Für den VfGH ist allerdings nicht nachvollziehbar, dass hieraus zu folgern wäre, dass ein Abzug des vorbehaltenen Rechts zu unterbleiben hätte, ist doch Gegenstand der Zuwendung der um die Belastung verminderte Vermögenswert.

Die vom Bundesfinanzgericht für seine Auslegung ins Treffen geführte Vorschrift des §10 Abs3 BewG 1955, wonach Verfügungsbeschränkungen als persönliche Verhältnisse anzusehen sind, die gemäß Abs2 leg cit bei der Bewertung nach dem gemeinen Wert nicht zu berücksichtigen seien, trägt nicht: Einer solchen Auslegung, die im Übrigen auch nicht dem Wortlaut des §15 Abs3 Z2 EStG 1988 zu entnehmen ist, steht der Gleichheitssatz entgegen, führte sie doch dazu, dass im Fall einer Zuwendung an einen Begünstigten die von der Stifterin vorbehaltenen Nutzungen vom Wert der Liegenschaften in Abzug zu bringen wären, wogegen im Fall einer Zuwendung an die Stifterin ein solcher Abzug ausgeschlossen wäre, obgleich in beiden Fällen lediglich der um die vorbehaltenen Nutzungen verminderte Vermögenswert zugewendet wird.

Ebenso wie für die Bewertung der Zuwendung der Beschwerdeführerin an die Letztbegünstigte ist für die Ermittlung des Stiftungseingangswertes zu berücksichtigen, dass die Stifterin der Beschwerdeführerin einen um das vorbehaltene Fruchtgenussrecht verminderten Vermögenswert zugewendet hat.

Indem das Bundesfinanzgericht bei der Bewertung der Zuwendung und bei der Ermittlung der Stiftungseingangswerte die der Stifterin vorbehaltenen Fruchtgenussrechte unberücksichtigt gelassen hat, hat es nicht nur die Rechtslage grob verkannt, sondern sich auch mit der oben angeführten Rechtsprechung des VwGH ohne nähere Begründung nicht auseinandergesetzt und mit der angefochtenen Entscheidung damit Willkür geübt.

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