JudikaturVfGH

E818/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. September 2016

Das Bundesverwaltungsgericht durfte angesichts des Beschwerdevorbringens und der Aktenlage in tatsächlicher Hinsicht nicht davon ausgehen, dass es unstrittig sei, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2013 einer Erwerbstätigkeit nachging, noch in rechtlicher Hinsicht (nämlich bei Lösung der diesbezüglichen Vorfrage) davon, dass der Beschwerdeführer allein auf Grund des im Einkommensteuerbescheid 2013 ausgewiesenen Sanierungsgewinns der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegt: Der Sanierungsgewinn ist nämlich gemäß §25 Abs2 Z3 GSVG kein beitragspflichtiges Einkommen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle.

Schon aus diesem Grund durfte das Verwaltungsgericht nicht vertretbarer Weise davon ausgehen, dass die Voraussetzung eines hinreichend geklärten Sachverhalts für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung vorliegt.

Was den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe betrifft, hat das Bundesverwaltungsgericht §36a AlVG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.

§36a AlVG ist bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Notlage im Lichte des §33 Abs3 AlVG auszulegen. Die Befriedigung notwendiger Lebensbedürfnisse wird dadurch nicht erleichtert, dass einer arbeitslosen Person "Einkünfte" in Form eines Sanierungsgewinns "zugeflossen" sind, ist doch ein Sanierungsgewinn ein reiner Buchgewinn, der dadurch entsteht, dass jene Schulden der arbeitslosen Person durch teilweisen Schulderlass in einem Insolvenzverfahren vermindert werden, die in einem vorangegangenen Besteuerungszeitraum bereits steuerlich betriebsausgabenwirksam geworden waren. In einem Fall, in dem die im Kalenderjahr des Bezuges von Notstandshilfe zugeflossenen Einkünfte einer arbeitslosen Person ausschließlich in einem Sanierungsgewinn bestehen, kann daher von einer Verbesserung oder gar Beseitigung der wirtschaftlichen Notlage im Ausmaß dieser Einkünfte nicht die Rede sein.

Hinzu kommt, dass im Arbeitslosenversicherungsrecht Verluste gemäß §18 Abs6 und Abs7 EStG 1988 von vornherein nicht als einkommensmindernd anerkannt, sondern bei Ermittlung des potentiell notstandshilfeschädlichen Einkommens zu den steuerpflichtigen Einkünften hinzugerechnet werden (vgl §36a Abs3 Z2 AlVG). Die Berücksichtigung auch eines Sanierungsgewinns ohne Anerkennung der Verluste würde daher in wirtschaftlicher Hinsicht auf eine (potentiell) doppelte Benachteiligung bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Notlage hinauslaufen.

Die Heranziehung von Sanierungsgewinnen bei Beurteilung der wirtschaftlichen Notlage im Sinne des §33 Abs3 AlVG ist aus diesen Gründen unsachlich.

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