WI11/2015 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Zulässigkeit der Anfechtung der Wahlen der Mitglieder des Gemeinderates und des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 27.09.2015 sowie der engeren Wahl des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 11.10.2015.
Die anfechtungswerbende Partei ist auch zur Anfechtung der engeren Wahl des Bürgermeisters der Stadt Wels legitimiert.
Eine Wählergruppe, die für die Wahl des Bürgermeisters rechtzeitig einen Wahlvorschlag vorgelegt hat, deren Bewerber aber zu der darauf folgenden engeren Wahl nicht zugelassen war, muss insoweit zur Anfechtung dieser engeren Wahl legitimiert sein, als die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zulassungsentscheidung das Ergebnis der Wahlanfechtung mitbestimmt (vgl VfGH 24.11.2015, WI12/2015 ua). Indem die anfechtungswerbende Partei behauptet, dass das Verfahren zur Wahl des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 27.09.2015 und damit auch das Wahlergebnis mit Rechtswidrigkeit belastet sei, macht sie auch eine Rechtswidrigkeit der Zulassungsentscheidung zur engeren Wahl des Bürgermeisters vom 11.10.2015 geltend, da sich diese Zulassungsentscheidung unmittelbar aus dem Ergebnis des ersten Wahlganges ergibt.
Vorliegend strebt die anfechtungswerbende Partei in ihrer Anfechtungsschrift nicht die Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an (vgl §73 Oö KommunalwahlO); sie rügt vielmehr ausschließlich sonstige Rechtswidrigkeiten der Wahlverfahren, wofür die unmittelbare Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita bzw litb B-VG eröffnet wird.
Rechtzeitigkeit der am 23.10.2015 beim VfGH eingelangten Anfechtung bezüglich aller angefochtenen Wahlverfahren.
Hinsichtlich der Wahl der Mitglieder des Gemeinderates wurde die Zahl der Wahlberechtigten, die Wahlbeteiligung, die Zahl der abgegebenen Stimmen sowie die auf die verschiedenen Wählergruppen entfallenen Stimmen am 29.09.2015 kundgemacht; die Kundmachung der Namen der gewählten Mitglieder und Ersatzmitglieder einschließlich Adresse und Geburtsjahr erfolgte gesondert am 05.10.2015. Eine vollständige Kundmachung gemäß §72 Abs6 Oö KommunalwahlO lag somit erst am 05.10.2015 vor. Damit ist das Wahlverfahren im vorliegenden Fall - unabhängig davon, ob eine solche Vorgehensweise die inhaltlichen Voraussetzungen einer Kundmachung gemäß §72 Abs6 Oö KommunalwahlO in jeder Hinsicht zur Gänze erfüllt - mit der vollständigen Kundmachung gemäß §72 Abs6 Oö KommunalwahlO, sohin am 05.10.2015, als beendet anzusehen.
Mit Kundmachung vom 28.09.2015 hat die Stadtwahlbehörde die engere Wahl des Bürgermeisters der Stadt Wels ausgeschrieben. Das Verfahren des ersten Wahlganges für die Wahl des Bürgermeisters der Stadt Wels ist somit - unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall eine allen inhaltlichen Anforderungen gemäß §72 Abs6 Oö KommunalwahlO entsprechende Kundmachung des Ergebnisses des ersten Wahlganges erfolgt ist - jedenfalls mit dieser Kundmachung als beendet anzusehen.
Mit Kundmachung der Stadtwahlbehörde vom 12.10.2015 wurde bekannt gegeben, dass der Bewerber Mag Dr Andreas Rabl bei der engeren Wahl zum Bürgermeister der Stadt Wels gewählt wurde. Unabhängig davon, ob damit alle inhaltlichen Anforderungen an eine Kundmachung des Ergebnisses der engeren Wahl gemäß §72 Abs6 Oö KommunalwahlO in jeder Hinsicht erfüllt sind, ist von einer Beendigung des Verfahrens der engeren Wahl des Bürgermeisters der Stadt Wels mit diesem Zeitpunkt auszugehen.
Die Anfechtung der Wahlen ist nicht begründet.
Aus dem Grundsatz des freien Wahlrechtes wird insbesondere auch die - von staatlichen Organen unbeeinflusste - Freiheit der Wahlwerbung abgeleitet. Demnach darf die Wahlwerbung nicht sinnwidrig beschränkt und der Wähler in der Freiheit seiner Wahl nicht in rechtlicher oder faktischer Weise beeinträchtigt werden (vgl VfSlg 13839/1994, 14371/1995, 17418/2004, 19107/2010, 19820/2013; VfGH 25.09.2015, WI5/2015; ebenso WI9/2015 ua vom 24.02.2016). Eine sinnwidrige Beschränkung der Wahlwerbung ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn wahlwerbende Parteien durch staatliche Organe ohne sachliche Rechtfertigung gegenüber anderen wahlwerbenden Parteien begünstigt oder benachteiligt werden.
Ob eine Beeinflussung der Wahlwerbung durch staatliche Organe mit hoheitlichen Mitteln oder im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt, ist nicht entscheidend. Werden durch ein solches Vorgehen staatlicher Organe die zum Schutz der Wahlfreiheit gezogenen Schranken überschritten, so ist dies - im Rahmen des Vorbringens in der Anfechtungsschrift - im Verfahren gemäß Art141 B-VG vom VfGH aufzugreifen.
Keine diskriminierende Einschränkung der Wahlwerbung im vorliegenden Fall durch Nichterteilung einer Bewilligung und Entfernung zweier konsenslos angebrachter Spruchbänder sowie Versagung einer Bewilligung zum Aufhängen von Zeitungstaschen bzw Kunststoffständern an Parkscheinautomaten.
Es ist nicht ersichtlich und wurde auch von der anfechtungswerbenden Partei nicht vorgebracht, dass anderen wahlwerbenden Parteien das Anbringen von vergleichbaren Spruchbändern gestattet worden wäre.
Keine generelle Untersagung des Anbringens von Wahlwerbung und des Verteilens von Informationsmaterial auf öffentlichem Grund.
Bewilligungs- bzw Anzeigepflichten welcher Art immer führen nicht per se zu einer sinnwidrigen Beschränkung der Wahlwerbung (vgl VfSlg 19676/2012). Dass im vorliegenden Fall die zum Schutz der Wahlfreiheit gezogenen Schranken überschritten worden wären, kann der VfGH somit bei einer Gesamtbetrachtung nicht feststellen, zumal insbesondere auch eine Beschränkung der Transparentwerbung unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Ortsbildes und der Hintanhaltung von Verkehrsbeeinträchtigungen oder sonstiger Sicherheitsbeeinträchtigungen im Straßenverkehr keineswegs unsachlich erscheint.
Aus der Regelung der Darstellung der Partei- und Kurzbezeichnungen bei der Veröffentlichung der Wahlvorschläge (§34 Abs6 bzw §39 Abs1 iVm §34 Abs6 Oö KommunalwahlO) und der Gestaltung der amtlichen Stimmzettel (§58 Abs4 Oö KommunalwahlO) ist der Grundsatz ersichtlich, dass von der äußeren Gestaltung des Stimmzettels her eine (optische) Bevorzugung oder Benachteiligung einer Wählergruppe ausgeschlossen sein soll.
Im vorliegenden Fall hätte angesichts der Schreibweise der Parteibezeichnung der anfechtungswerbenden Partei auf dem ursprünglich eingebrachten Wahlvorschlag mit der Hervorhebung der Wortfolge "DIE SCHÖNSTE STADT ÖSTERREICHS" durch die Verwendung von Großbuchstaben eine (optische) Bevorzugung der anfechtungswerbenden Partei nicht ausgeschlossen werden können. Die Schreibweise der Kurzbezeichnung "Wels" unterscheidet sich zudem von jener der Kurzbezeichnungen der anderen wahlwerbenden Parteien, bei denen ausschließlich Großbuchstaben verwendet werden, und hebt die anfechtungswerbende Partei damit von den übrigen wahlwerbenden Parteien ab. Im Hinblick auf die maßgeblichen Bestimmungen der Oö KommunalwahlO hätte die Stadtwahlbehörde somit weder bei der Partei- noch bei der Kurzbezeichnung der anfechtungswerbenden Partei die auf dem ursprünglichen Wahlvorschlag gewählte Schreibweise verwenden dürfen, sondern durch eine Angleichung an die Schreibweise der Partei- und Kurzbezeichnungen der anderen wahlwerbenden Parteien die Hervorhebung aufheben müssen.
Aus der Oö KommunalwahlO lässt sich zwar keine Verpflichtung der anfechtungswerbenden Partei zur Korrektur der Schreibweise ihrer Partei- und Kurzbezeichnung auf ihrem ursprünglichen Wahlvorschlag zur Einhaltung dieser Vorgaben ableiten. Die Stadtwahlbehörde hat eine solche Verpflichtung aber auch nicht ausgesprochen, sondern die anfechtungswerbende Partei lediglich "höflich eingeladen", die Schreibweise der Partei- und Kurzbezeichnung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt selbst auf eine Schreibweise abzuändern, die den Vorgaben der Oö KommunalwahlO gerecht wird.
Bei der im vorliegenden Fall gewählten Vorgehensweise ist ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Oö KommunalwahlO weder bei der Korrektur (bloß) der Schreibweise der Partei- und Kurzbezeichnung der anfechtungswerbenden Partei auf dem ursprünglichen Wahlvorschlag anlässlich der Einladung der Stadtwahlbehörde noch durch die Verwendung dieser Schreibweise bei der Veröffentlichung der Wahlvorschläge und Gestaltung der Stimmzettel erfolgt.
Die Reihung der Wählergruppe "ÖVP - Liste Peter Lehner" an dritter Stelle wird damit begründet, dass bei der letzten Gemeinderatswahl die Wählergruppe "ÖVP - Liste Anna Eisenrauch" die drittgrößte Anzahl an Mandaten erreicht habe und nach der Beurteilung der Stadtwahlbehörde die Wählergruppe "ÖVP - Liste Peter Lehner" ebenso wie die Wählergruppe "ÖVP - Liste Anna Eisenrauch" von der ÖVP iSd §6 Abs2a Oö KommunalwahlO unterstützt worden sei.
Dieser Beurteilung der Stadtwahlbehörde kann vom VfGH auf Grund der vorliegenden Umstände wie der Namensgleichheit ("ÖVP" als Kurzbezeichnung) und der Unterstützung durch dieselbe politische Organisation nicht entgegengetreten werden, sodass gegen die Reihung der Wählergruppe "ÖVP - Liste Peter Lehner" an dritter Stelle in der Veröffentlichung der Wahlvorschläge keine Bedenken bestehen.