A4/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Zulässigkeit der Klage.
Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen das Land Burgenland geltend, dessen Wurzel im öffentlichen Recht, nämlich in §2 F-VG 1948 und in §67 Abs6 FremdenG 1997 (FrG), liegt. Der Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber beruft, noch sich deren Zuständigkeit aus §1 JN herleiten lässt. Der Anspruch ist aber auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft.
§2 F-VG 1948 bestimmt, dass der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand tragen, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Mit §46 FremdenG 1992 (danach: §67 FrG) hat der Gesetzgeber eine dem Regime des §2 F-VG 1948 unterliegende finanzausgleichsrechtliche Regelung getroffen, die "anderes" bestimmt.
Nach der Systematik des §67 FrG sollte die Schubhaft grundsätzlich im Haftraum jener Behörde vollzogen werden, die sie verhängt hatte. Dem entsprechend ordnete Abs5 erster Satz leg cit an, dass für jede Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeidirektion eigene Hafträume zu unterhalten waren.
Um nicht unvertretbare Verstöße gegen die Grundsätze der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis in Kauf nehmen zu müssen und ein flexibles System zu schaffen, das eine Lösung der Haftraumproblematik unabhängig davon ermögliche, ob in einem Land ausschließlich eine Bundespolizeidirektion (Wien), keine Bundespolizeidirektion (Vorarlberg) oder sowohl Bundespolizeidirektionen als auch Bezirksverwaltungsbehörden als Fremdenpolizeibehörden einschreiten würden, sah §67 Abs5 FrG die Möglichkeit vor, Schubhafträume für mehrere Behörden gemeinsam zu errichten, sofern dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis geboten war. Ausschließlich für diesen Fall hatten die betroffenen Gebietskörperschaften Verwaltungsvereinbarungen zu treffen, die ihre Aufgaben bei der Errichtung, der Erhaltung und beim Betrieb der Hafträume sowie die Kostentragung regelten. §67 Abs6 leg cit war - sowohl nach der Gesetzessystematik als auch nach den Materialien - auf solche gemeinsam errichteten Hafträume nicht anwendbar.
Die Verwaltungsvereinbarung vom 23.07.1998 hatte ihre Rechtsgrundlage in §67 Abs5 vierter und fünfter Satz FrG und sollte die Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und dem Land Burgenland bei der Errichtung, der Erhaltung und beim Betrieb der Hafträume sowie die Kostentragung in Bezug auf ein bestimmtes Objekt (WIFI-Gebäude in Eisenstadt) iSd §67 Abs5 zweiter Satz FrG regeln. §67 Abs6 leg cit enthielt hingegen eine zwingend normierte Kostenersatzpflicht für die - entgegen dem Grundsatz des §67 Abs1 erster Satz leg cit erfolgte - Vollziehung von Schubhaft in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder im Haftraum einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde und ermächtigte die Vollziehung nicht, eine davon abweichende vertragliche Vereinbarung zu treffen.
Wird die Schubhaft in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder im Haftraum einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde vollzogen, so hat die Behörde gemäß §67 Abs6 FrG die dadurch entstehenden Kosten im vollen Umfang zu ersetzen. Da (im Zeitraum 01.10.1998 bis 30.09.2000) von burgenländischen Bezirksverwaltungsbehörden verhängte Schubhaften in Hafträumen von Bundespolizeibehörden außerhalb des Burgenlandes vollzogen wurden, steht dem Bund der Ersatz der dadurch entstandenen Kosten im vollen Umfang durch das Land Burgenland zu.
Keine Verjährung des Anspruchs.
Nur dann, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechtes ausdrücklich Verjährungsbestimmungen enthalten, darf unter Bedachtnahme auf §7 ABGB ergänzungsweise auf die Verjährungsvorschriften des ABGB zurückgegriffen werden. Sieht aber die anzuwendende Vorschrift des öffentlichen Rechtes dem Grunde nach eine Verjährung nicht vor, so ist eine analoge Anwendung der Verjährungsvorschriften des ABGB unzulässig (vgl VfSlg 19034/2010 mwN). Da das FrG keine Regelung über die Verjährung traf, kann die beklagte Partei ihre Einrede nicht darauf stützen.