G176/2014 ua, V89/2014 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Zurückweisung der Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung näher bezeichneter "Durchführungsbestimmungen zu Abschnitt XI der Fernmeldegebührenordnung, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl Nr 365/89 (Befreiungsbestimmungen)" des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, "Anlage zu GZ 120179/III-25/89".
Ungeachtet des Umstandes, dass der VfGH im Hinblick auf Art139 Abs3 Z3 B-VG verhalten ist, Verordnungen auch auf ihre Kundmachung zu überprüfen und im Falle der gesetzwidrigen Kundmachung aufzuheben, ist es allen sonstigen Gerichten von Verfassungs wegen verwehrt, die Aufhebung einer Verordnung aus dem Grunde der gesetzwidrigen Kundmachung (die der nicht "gehörigen" Kundmachung iSd Art89 Abs1 B-VG gleichkommt) beim VfGH zu beantragen.
Gerichte - mit Ausnahme des VfGH - haben davon auszugehen, dass nicht gehörig kundgemachte Verordnungen keinerlei Rechtswirkungen entfalten, und dass diese sohin von den Gerichten auch ohne Anfechtung vor dem VfGH von vorneherein nicht anzuwenden sind.
Die Durchführungsbestimmungen sind hoheitliche, außenwirksame Akte einer Verwaltungsbehörde. Die GIS Gebühren Info Service GmbH stützt ihre Bescheide betreffend die Gebührenbefreiung nach dem RundfunkgebührenG oder die Zuschussleistung zu den Fernsprechentgelten jedenfalls in den Anlassfällen auf die Durchführungsbestimmungen. Die Durchführungsbestimmungen entfalten rechtsgestaltende Außenwirkung, da sie detaillierte Regelungen zur Anwendung gesetzlicher Bestimmungen enthalten. Sie stellen Rechtsverordnungen dar.
Die Durchführungsbestimmungen wurden jedoch nicht gehörig im Bundesgesetzblatte kundgemacht (vgl §2 Abs1 litf des zum Zeitpunkt der Erlassung der Durchführungsbestimmungen geltenden BGBlG 1985 in der Stammfassung).
Hat das Bundesverwaltungsgericht in den ihm vorliegenden Anlassfällen die Durchführungsbestimmungen auf Grund der von ihm behaupteten fehlerhaften Kundmachung aber von vorneherein nicht anzuwenden, so sind seine Anträge an den VfGH, die Durchführungsbestimmungen gemäß Art139 Abs1 Z1 iVm Art89 und Art135 Abs4 B-VG aufzuheben, schon aus diesem Grund unzulässig.
Aufhebung jeweils der Wortfolge "1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist, 2. " in §48 Abs5 der Anlage zum FernmeldegebührenG (FernmeldegebührenO - FGO), BGBl 170/1970 idF BGBl 365/1989, und in §2 Abs3 FernsprechentgeltzuschussG (FeZG), BGBl I 142/2000.
Es liegt im allgemeinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, im Hinblick auf das für die Gebührenbefreiung bzw die Zuschussleistung zu den Fernsprechentgelten maßgebliche Haushalts-Nettoeinkommen abzugsfähige Ausgaben vorzusehen, die den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des MietrechtsG (MRG) umfassen, nicht aber (wiederkehrende) Ausgaben für im Eigentum des Befreiungs- bzw Zuschusswerbers stehende Wohnräumlichkeiten.
Eine Gebührenbefreiung oder eine Zuschussleistung soll nur sozial bedürftigen Personen gewährt werden.
In diesem Zusammenhang ist dem Gesetzgeber auch nicht entgegenzutreten, wenn er auf eine Durchschnittsbetrachtung abstellt und davon ausgeht, dass Mieter eher Gefahr laufen, sozial bedürftig zu werden, als Personen, die andere Wohnformen nutzen, und daran anknüpfend zwischen Ausgaben für den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des MRG und Ausgaben für andere Formen des Wohnens als in Mietwohnungen zu differenzieren.
Hauptmietzinse für landläufig als luxuriös oder sehr teuer angesehene Mietobjekte (wie sie zB als "Dachgeschoß-Citywohnung", "City-Penthouse", "exklusive Miet-Villa", etc am Immobilienmarkt zur Miete angeboten werden) unterfallen regelmäßig nicht dem MRG bzw dem vollen Umfang des Anwendungsbereichs des MRG und damit dessen Vorschriften betreffend die Hauptmietzinsbildung . In diesen Fällen liegen daher in der Regel schon keine "Hauptmietzinse einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes" vor, deren Höhe durch die Mietzinsbildungs- und Mietzinsbegrenzungsbestimmungen des MRG beschränkt wäre.
Nichtsdestoweniger zeigt das Bundesverwaltungsgericht mit den geltend gemachten Bedenken die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen auf. Diese liegt nicht darin, dass wiederkehrende Ausgaben für Wohnräumlichkeiten im Eigentum der Befreiungs- bzw Zuschusswerber nicht abgezogen werden können. Sie ist vielmehr darin zu sehen, dass die Beschränkung des Abzugs auf Mietverhältnisse, die dem MRG unterliegen, in einer gegen Art7 B-VG verstoßende Weise zu einer Ungleichbehandlung von Mietverhältnissen nach dem MRG mit Mietverhältnissen außerhalb des MRG führt, die vom Gesetzgeber ebenfalls einem "mieterschützenden Regime" unterstellt wurden, so namentlich im WohnungsgemeinnützigkeitsG (WGG). Nach den angefochtenen Gesetzesstellen kann ein nach dem WGG zu entrichtendes Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung, das die Funktion eines Hauptmietzinses hat, nicht als Abzug angesetzt werden, da es sich dabei nicht in allen Fällen um einen Hauptmietzins iSd MRG handelt. Eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Mietverhältnissen nach dem MRG einerseits und Mietverhältnissen nach dem WGG andererseits im Hinblick auf die angefochtenen Gesetzesstellen fehlt.
Aufhebung nicht nur der Wortfolge "im Sinne des Mietrechtsgesetzes", da in Folge dieser Aufhebung der Abzug von Hauptmietzins einschließlich Betriebskosten in jedweder Höhe zulässig wäre, was seinerseits zu einer Verfassungswidrigkeit führen würde.
Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen (31.08.2016) gem Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
Der VfGH hat gemäß §19 Abs3 Z4 VfGG davon abgesehen, ein weiteres Verfahren in den Rechtssachen zu G268/2015, zu G271/2015, V88/2015, und zu G277/2015, G285/2015, V89/2015 durchzuführen. Die in diesen Anträgen aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die Entscheidung über die sonstigen Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes bereits geklärt (vgl VfGH 10.03.2015, G203/2014 ua).