JudikaturVfGH

G240/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
02. Juli 2015

Abweisung des Antrags des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG Tirol) auf Aufhebung des 2. Satzes des §21 Abs2 VwGVG, BGBl I 33/2013.

Der im Wortlaut - im Vergleich zu den Bestimmungen des §25 Abs2 VwGG und §20 Abs3 VfGG - anderslautende §21 Abs2 zweiter Satz VwGVG verlangt nach Anhörung der belangten Behörde eine Entscheidung der Verwaltungsgerichte über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Akteneinsicht; insoweit trifft die Verwaltungsgerichte die Verpflichtung, zu überprüfen, ob der Ausschluss der Akteneinsicht durch die Behörde zu Recht erfolgt ist.

Der Rechtsschutz bei einer bescheidmäßigen Verweigerung der Akteneinsicht ist durch die Beschwerdemöglichkeit beim Verwaltungsgericht nach Art130 Abs1 Z1 B-VG gegeben. Erfolgt die Verweigerung der Akteneinsicht durch Verfahrensanordnung, die gemäß §7 Abs1 VwGVG nicht gesondert angefochten werden kann, kann die Verweigerung der Akteneinsicht in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid bekämpft werden. Behandelt die Behörde einen Aktenbestandteil lediglich faktisch als nicht der Akteneinsicht unterliegend, etwa durch Verwahrung in einem gesonderten Kuvert, hat diese Art der Verweigerung keine über das Verfahren vor der Behörde hinausgehende Wirkung. In allen drei Varianten hat das Verwaltungsgericht somit eine Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Akteneinsicht.

Die vom antragstellenden Gericht vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Rechtsschutzeffizienz treffen daher nicht zu, weil das Verwaltungsgericht jedenfalls die Entscheidung der Behörde hinsichtlich einer Verweigerung der Akteneinsicht selbst inhaltlich zu beurteilen hat. Das antragstellende Verwaltungsgericht verkennt, dass es bei systematischer Auslegung des §21 Abs2 zweiter Satz VwGVG iVm dem im Wortlaut übereinstimmenden §17 Abs3 AVG nicht auf das faktische Verhalten der Behörde ankommen kann, sondern auf die Beurteilung, ob im konkreten Fall Aktenbestandteile in rechtmäßiger Weise von der Akteneinsicht ausgenommen wurden. Ebenso kommt eine Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, das über die Gewährung der Akteneinsicht abspricht, unter den Voraussetzungen des Art133 Abs4 B-VG in Betracht.

Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit.

Der VfGH hat sich wiederholt der Auffassung des EGMR zum Prinzip der Waffengleichheit angeschlossen, wonach das nationale Recht hinreichende Schutzvorkehrungen bieten muss, die sicherstellen, dass die Fairness des Verfahrens garantiert ist, wozu auch der Zugang zu den Verfahrensakten zählt (VfSlg 16560/2002, 19730/2012; VfGH 10.03.2015, G180/2014 ua).

Allerdings müssen die gesetzlichen Vorschriften auch Schutzvorkehrungen ua in Hinblick auf Art8 EMRK und das dort gewährleistete Recht auf Privatleben, das auch das Recht auf Schutz persönlicher Daten umfasst, treffen. Dies wird durch die Bestimmung des §17 Abs3 AVG gewährleistet, der eine Interessenabwägung zwischen näher genannten privaten und öffentlichen Interessen mit dem Interesse auf Aktensicht vorsieht. Das Verwaltungsgericht ist wiederum zur Überprüfung verpflichtet, ob der Ausschluss der Akteneinsicht durch die Behörde zu Recht erfolgt ist.

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