E1218/2014 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Soweit die beschwerdeführende Gesellschaft Bedenken geltend macht, mit welchen sich der VfGH im Erk VfSlg 19598/2011 bereits beschäftigt hat, ist ihr Vorbringen - auch vor dem Hintergrund der mit BGBl I 22/2012 erfolgten Einführung des Sonderbeitrages zur Stabilitätsabgabe und der mit dem AbgabenänderungsG 2014, BGBl I 13, erfolgten Gesetzesänderungen - in Anbetracht eines weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers nicht geeignet, Zweifel an der sachlichen Rechtfertigung der getroffenen Regelungen beim VfGH entstehen zu lassen. Die Regelungen sind weder zur Zielerreichung untauglich noch führen sie zu sachfremden, willkürlichen Ergebnissen.
Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet, die Befreiung von der Stabilitätsabgabe für Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme unter € 1 Mrd sei sachlich nicht gerechtfertigt und diese Unsachlichkeit werde durch die Novelle BGBl I 13/2014 zusätzlich verstärkt, da im Gegenzug zum Entfall der Besteuerung von Derivaten die Stabilitätsabgabe auf die Bilanzsumme erhöht worden sei, damit sich das aus der Stabilitätsabgabe erzielte Aufkommen nicht verringere, verkennt sie, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, die Bemessung der Abgabe (nur) an die modifizierte Bilanzsumme anzuknüpfen (vgl hiezu VfSlg 19598/2011, wonach eine progressive Ausgestaltung des Steuertarifs, die zu einer Steuerbefreiung von Kleinstkreditinstituten führt und große Kreditinstitute überproportional belastet, verfassungsrechtlich unbedenklich ist).
Der VfGH vermag auch nicht zu erkennen, dass die Regelung des §2 Abs6 StabilitätsabgabeG (StabAbgG) inländische Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute in unsachlicher Weise gegenüber inländischen Kreditinstituten privilegiere. §2 Abs6 leg cit bestimmt, dass für die Zweigstelle eine fiktive Bilanzsumme des der Zweigstelle zuzurechnenden Geschäftsvolumens nach den Bestimmungen des Abs1 bis Abs5 leg cit zu errechnen ist und diese die Bemessungsgrundlage bildet. Damit knüpft die Besteuerung an das inländische Geschäftsvolumen an und wird die Bilanzsumme nach jenen Bestimmungen ermittelt, die (auch) für inländische Kreditinstitute gelten. Die betreffenden Vorschriften verstoßen entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Gesellschaft auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG (vgl zB VfSlg 13785/1994 mwN zum "differenzierten Legalitätsprinzip").
Der beschwerdeführenden Gesellschaft ist einzuräumen, dass die Einführung der Stabilitätsabgabe und die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage der Abgabe für die Jahre 2011 bis 2013 an die unkonsolidierte Bilanzsumme des Jahres 2010 ohne Legisvakanz erfolgte und den betroffenen Kreditinstituten zugleich vom Gesetzgeber die Möglichkeit genommen wurde, Anpassungsmaßnahmen im Hinblick auf die durch den Betrieb von Kreditinstituten bedingte Abgabenbelastung zu treffen. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kreditinstitute in der Vergangenheit ihren Betrieb in der Erwartung einer unveränderten Fortdauer der bis einschließlich 2010 geltenden Rechtslage ausgerichtet haben. Der Gesetzgeber greift aber mit dem StabilitätsabgabeG nicht rückwirkend in bestehende Rechtspositionen ein: Die Regelung knüpft nämlich nicht nachträglich an früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen, die die Rechtsposition des Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern. Der maßgebliche Besteuerungstatbestand besteht mit Blick auf die Inkrafttretensbestimmung des §9 StabAbgG vielmehr im Betrieb von Kreditinstituten für Zeiträume ab dem 01.01.2011 und somit - aus der zeitlichen Perspektive der Erlassung des Gesetzes - für künftige und nicht für bereits vergangene Zeiträume.
Aus der Verfassung ist keine allgemeine Garantie dafür abzuleiten, dass sich auf Grund geltender Rechtslage erwartete Vorteile zukünftig auch auf Grund geänderter Rechtslage tatsächlich realisieren.
Der VfGH kann nicht erkennen, dass vor Einführung der Stabilitätsabgabe mit dem BudgetbegleitG 2011, BGBl I 111/2010, eine Rechtslage bestanden hätte, bei der der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen geradezu angeregt oder gefördert und damit Kreditinstitute zu Geschäftsmodellen veranlasst hätte, die durch die Einführung der Stabilitätsabgabe entwertet wären.
Angesichts der mit der Abgabe verfolgten Zielsetzung kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er zwecks Vermeidung von Umgehungen für die ab dem Jahr 2011 bestehende Abgabepflicht bis zum Jahr 2013 an die Bilanzsumme des Jahres 2010 anknüpft, zumal er in §5 StabAbgG in der (Stamm)Fassung BGBl I 111/2010 auf wesentliche Änderungen, die in diesen Jahren eintreten können, Bedacht nimmt und eine Anpassung der Bemessungsgrundlage in diesen Fällen vorsieht.
Kein Verstoß gegen die strikte Abgabentypologie des §6 F-VG 1948 durch den nach §7a StabAbgG zur Stabilitätsabgabe zu leistenden Sonderbeitrag.
Zuschlagsabgaben sind eine zusammengesetzte Abgabenform, deren Wesen darin besteht, dass zu einer Stammabgabe einer bestimmten Gebietskörperschaft Abgaben in Form von Zuschlägen zugunsten einer anderen Gebietskörperschaft erhoben werden, dass ihr Ausmaß durch eine zahlenmäßige Beziehung zur Stammabgabe bestimmt wird und dass sie einer eigenständigen Regelung entbehren, weil sich diese für sie aus jener der Stammabgabe ergibt.
Da der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe zugunsten des Bundes und somit jener Gebietskörperschaft erhoben wird, die jene Abgabe erhebt, von der der Sonderbeitrag in Hundertteilen berechnet wird, liegt somit - ungeachtet der Erhebung nach Art eines Zuschlages - keine Zuschlagsabgabe im finanzverfassungsrechtlichen Sinn vor.
§6 Abs2 F-VG 1948 bestimmt, dass die Erhebung von zwei oder mehreren (auch gleichartigen) Abgaben in den in Abs1 leg cit genannten Haupt- und Unterformen von demselben Besteuerungsgegenstand nebeneinander zulässig ist. Die Erhebung des Sonderbeitrages zur Stabilitätsabgabe als ausschließliche Bundesabgabe neben der Stabilitätsabgabe, die eine gemeinschaftliche Bundesabgabe ist, ist somit finanzverfassungsrechtlich zulässig.