B614/78 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Wie der VfGH im Erk. Slg. 7779/1976 dargelegt hat, leidet die Vorschreibung eines Säumniszuschlages wegen Versäumung einer Nachfrist, die durch einen inzwischen aufgehobenen Bescheid gesetzt wurde, an einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel. Es ist der Behörde einzuräumen, daß der vorliegende Fall dem im Erk. Slg. 7779/1976 entschiedenen nicht in jeder Hinsicht gleicht. Aber der Unterschied spricht nicht für den Standpunkt der Behörde. Der VfGH hat seine Ansicht an einem Fall entwickelt, in dem das Finanzamt das zweite (begründete) Ansuchen um Zahlungserleichterung als Ergänzung des (schon abgewiesenen) ersten angesehen und mit Berufungsvorentscheidung die gegen die Abweisung erhobene Berufung formell zwar "abgewiesen" , der Sache nach aber wegen Beseitigung des angefochtenen Bescheides als gegenstandslos zurückgewiesen hatte.
Im vorliegenden Fall ist dagegen der erste (negative) Bescheid im Rechtsmittelverfahren behoben und durch eine Stattgebung ersetzt und das zweite Ansuchen als gegenstandslos behandelt worden. Die im Vorerkenntnis ausgesprochene Rechtsansicht trifft auf diese Sachlage erst recht zu.
Die bel. Beh. nimmt in diesem Zusammenhang auf die Kritik Bezug, der das Vorerkenntnis von Aigner, Die Nachfrist i. S. des § 217 Abs. 4 BAO, ÖStZ 1977, 127 f., unterzogen wurde. Die dort vorgetragene Auffassung geht aber von unzutreffenden Prämissen aus. Es geht nicht darum, ob der einmal verwirkte Säumniszuschlag das Schicksal der ihm zugrundeliegenden Abgabenschuld teilt oder nicht (einen Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat das Erk. Slg. 6915/1972 betroffen) , sondern um die Frage, ob die Behebung der (negativen) Entscheidung über das Ansuchen um Zahlungserleichterung auch die im § 217 Abs. 4 normierten Wirkungen des behobenen (negativen) Bescheides bis zur neuerlichen Entscheidung über das Ansuchen beseitigt. Daran kann jedoch füglich nicht gezweifelt werden. Die gegenteilige Annahme würde bedeuten, daß Fehlentscheidungen der Behörde nicht nur vorläufig hingenommen werden müßten, sondern die in § 217 BAO angeordnete (jedenfalls den Säumniszuschlag betreffende) aufschiebende Wirkung endgültig beseitigen könnten. Der Umstand, daß die Bewilligung der Zahlungserleichterung, das die begehrte Erleichterung selbst betrifft, ex nunc wirkt, hat nichts mit der Frage zu tun, ob das - rückblickend gesehen (infolge der Behebung des negativen Bescheides bis dahin noch unerledigt gebliebene - Ansuchen die vorläufige Wirkung des § 217 hat oder nicht. Solange diese Wirkung nicht durch eine neuerliche Abweisung des Ansuchens i. S. des § 217 Abs. 4 unter neuerlicher Nachfristsetzung beseitigt ist, kann ein Säumniszuschlag nicht verwirkt werden. Wird dem Ansuchen - wie hier - sogar stattgegeben, muß insgesamt die Rechtsfolge des § 217 Abs. 2 eintreten. Daß im Rechtsmittel auch neue Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden können (und damit weitgehend derselbe Erfolg erzielt werden kann wie mit einem neuen Ansuchen) , vermag an dieser Überlegung nichts zu ändern. Der VfGH sieht also keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen.