Die Regelung des § 138 Abs. 4 Notariatsordnung, wonach verspätete oder unzulässige Berufungen (Beschwerden) jene Stelle zurückzuweisen hat, "die als erste Instanz entschieden" hat, erfaßt auch den Fall, daß strittig ist, ob einer angefochtenen Erledigung der Notariatskammer Bescheidcharakter zukommt, d. h.: ob die Kammer "entschieden" hat. Dies deshalb, weil andernfalls die Beurteilung der Entscheidungszuständigkeit von der Entscheidung über die Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung abhängig wäre, was aber bedeuten würde, daß das Vorliegen einer Prozeßvoraussetzung erst nach der Entscheidung über den Prozeßgegenstand erkannt werden könnte.
Im vorliegenden Fall hat nicht die Notariatskammer, sondern der Präsident des Oberlandesgerichtes das Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Erledigung als unzulässig zurückgewiesen.
Die Notariatskammer hatte das Rechtsmittel des Bf. dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes vorgelegt und damit - gleichgültig, ob das auch in ihrer Absicht gelegen war - zum Ausdruck gebracht, daß sie keinen Anlaß zur Zurückweisung wegen Verspätung oder Unzulässigkeit finde. Dieses Verhalten verhindert aber die Wahrnehmung der Unzulässigkeit des Rechtsmittels durch die Berufungsinstanz ebensowenig, wie umgekehrt die Zurückweisung des Rechtsmittels durch die erste Instanz die gegen diese Zurückweisung angerufene Berufungsbehörde zu binden vermag; insofern entspricht die durch § 138 Abs. 4 NO gekennzeichnete Rechtslage vergleichbaren Regelungen auch auf anderen Rechtsgebieten des gerichtlichen Verfahrensrechtes (z. B. {Zivilprozeßordnung § 507, § 507 ZPO} und § 285 der StPO) . Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zum Erk. Slg. 4407/1963, weil § 138 NO - anders als die dem zit. Erk. zugrundeliegende Bestimmung des § 27 Abs. 5 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter - eine gesonderte Anfechtung der Zurückweisung zuläßt.
Es ist gleichgültig, ob der Bescheid des Oberlandesgerichtspräsidenten als erstinstanzliche oder als zweitinstanzliche Entscheidung anzusprechen ist, die die - in der Vorlage des Rechtsmittels zum Ausdruckkommende - "Entscheidung" der Notariatskammer abändert. In beiden Fällen ist gemäß § 138 Abs. 1 Z 2 NO dagegen die Berufung (Beschwerde) an den BM für Justiz zulässig.
Der vom Bf. gemäß Art. 139 Abs. 1 letzter Satz in Verbindung mit Abs. 4 B-VG gestellte Individualantrag auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit der als Erlaß bezeichneten Verordnung des ehemaligen Justizministeriums vom 31. Oktober 1887, Zl. 9172, war zurückzuweisen, da im Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen ist, ob der Bf. legitimiert wäre, die Verordnung nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 139, Art. 139 B-VG} anzufechten ( vgl. Erk. B 447/77 vom 29. November 1977) . Dazu kommt, daß in einem Individualantrag auf Aufhebung einer Verordnung gemäß § 57 Abs. 1 zweiter Satz VerfGG 1953 die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH führt das Fehlen der Darlegung der Bedenken in einem Antrag auf Normenprüfung zu dessen Zurückweisung, ohne daß ein Auftrag zur Behebung dieses Mangels zu ergehen hat. Da in dem vom Bf. gestellten Antrag diese Bedenken überhaupt nicht dargelegt sind, ist dieser auch auf Grund dieses Mangels als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Slg. 8308/1978) .
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