JudikaturVfGH

B190/77 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
16. März 1979

Nach § 1 lit. c Tiroler Ehrenkränkungsgesetz begeht eine Ehrenkränkung u. a., wer vorsätzlich einen anderen verspottet. Nach § 2 Abs. 2 leg. cit. gelten Ehrenkränkungen jedoch nicht als Verwaltungsübertretungen, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Gemäß § 2 Abs. 3 sind Ehrenkränkungen nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte einen Strafantrag stellt (Privatanklagesache - § 56 VStG 1950) . Nach {Strafgesetzbuch § 115, § 115 Abs. 1 StGB} ist u. a. vom Gericht zu bestrafen, wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen verspottet. Nach {Strafgesetzbuch § 69, § 69 StGB} wird eine Handlung nur dann öffentlich begangen, wenn sie unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann. Nach {Strafgesetzbuch § 115, § 115 Abs. 2 StGB} wird eine Handlung vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können.

Der Bf. hat als Privatankläger der Verwaltungsbehörde ausschließlich angezeigt, die beteiligte Partei habe ihn in einem an ihn gerichteten Brief vom 21. Dezember 1975 verspottet. Begehungshandlung einer in einem Brief enthaltenen Verspottung ist die Aufgabe des Briefes bei der Post (SSt. VI/35) . Es wurde von niemandem behauptet, daß das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit bei der Postaufgabe selbst oder beim Empfang des Schreibens vorliege; ebensowenig wurde behauptet, daß der Inhalt des Schreibens aus diesen Anlässen von mehreren Leuten wahrgenommen wurde. Daß die beteiligte Partei vor Absenden des Briefes mehrere Personen mit der Frage kontaktiert hat, ob er den Brief absenden solle, könnte allenfalls eine selbständig zu beurteilende Ehrenbeleidigung sein, deren Verfolgung in die Zuständigkeit des Gerichtes fiele. Zur Ahndung der hier einzig maßgeblichen brieflichen Äußerungen ist aber die Verwaltungsbehörde zuständig, die dann freilich noch zu prüfen haben wird, ob überhaupt eine Verspottung vorliegt.

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