JudikaturVfGH

G18/78 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. Dezember 1978

{Bundesabgabenordnung § 212, § 212 Abs. 2 BAO}, BGBl. 194/1961, i. d. F. des Bundesgesetzes BGBl. 787/1974 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Im Erk. Slg. 7331/1974 hat der VfGH der vom VwGH in seinen Erk. Slg. 2491 F/1961, vom 8. Mai 1962, Z 223/60 und vom 30. Jänner 1974, Z 426/72 (siehe nunmehr auch das Erk. vom 20. April 1977, Z 446/77) vertretenen Auffassung beigepflichtet, daß das Institut der Stundungszinsen rein wirtschaftlich zu betrachten ist. "Es stellt" - wie der VwGH in den angeführten Entscheidungen dargelegt hat - " nicht eine Strafe für die böswillige Säumnis von Steuerzahlern dar, sondern ist ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsenverlust, den der Fiskus dadurch erleidet, daß er die geschuldete Steuerleistung nicht bereits am Tage ihrer Fälligkeit erhalten hat.

Ist doch auch sonst im Wirtschaftsleben der Schuldner gehalten, bei nicht pünktlicher Zahlung der Schuld Verzugszinsen zu leisten (vgl. {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1333, § 1333 ABGB}, {Handelsgesetzbuch § 353, § 353 HGB}) ." Auch in Ansehung der in Prüfung gezogenen Regelung hält der VfGH an dieser Ansicht fest. Von ihr ausgehend, nimmt der VfGH - auch hier dem VwGH zustimmend - auf folgende Ausführungen in dessen Erk. vom 24. Juni 1970, Slg. 4110/F, Bezug: "Unterscheidet man aber nicht mit der nötigen Deutlichkeit Abgabenschuld und Abgabenzahlungsschuld, so identifiziert man sich mit der gelegentlich vertretenen ungerechtfertigten Forderung, als Äquivalent für die Stundungszinsen dem Abgabenschuldner einen Zinsenanspruch für Guthaben einzuräumen, die anläßlich einer nach dem Entstehen der Abgabenschuld vorgenommenen Abgabenfestsetzung entstehen. Solche Zinsen entsprechen aber ihrem Wesen nach nicht den Stundungszinsen, sondern würden ihrerseits die Begründung eines Zinsenanspruches des Abgabengläubigers für jene Fälle erfordern, in denen anläßlich der Veranlagung die Fälligkeit einer Abschlußzahlung ausgelöst wird, weil die festgesetzte Abgabenschuld höher ist als die entrichteten Vorauszahlungen." Zusammenfassend ergibt sich aus den dargestellten Überlegungen, daß der wirtschaftliche Sachverhalt, auf dem die in {Bundesabgabenordnung § 212, § 212 Abs. 2 BAO} (i. d. F. der Nov. BGBl. 787/1974) getroffene Regelung der Stundungszinsen beruht, nicht mit jenem vergleichbar ist, der bei Zahlung und späterer Rückzahlung mangels Rechtsbeständigkeit der maßgebenden Abgabenvorschreibung vorliegt.

Mit diesem letzteren Sachverhalt wären nämlich ausschließlich solche Fälle vergleichbar, in denen zu einem späteren Zeitpunkt eine höhere Abgabenschuld festgesetzt wird als vorher; so etwa der (vom VwGH im auszugsweise wiedergegebenen Erk. erwähnte) Fall, daß anläßlich der Veranlagung die Fälligkeit einer Abschlußzahlung ausgelöst wird, weil die festgesetzte Abgabenschuld die entrichteten Vorauszahlungen übersteigt, oder die Ersetzung eines vorläufigen Abgabenbescheides durch einen endgültigen, der die Vorschreibung einer höheren als der vorläufig festgesetzten Abgabe beinhaltet. Ebensowenig wie der aus der Sicht solcher Fälle begünstigte Abgabenschuldner zu einer Zinsenleistung an den Abgabengläubiger verhalten wird, hat er einen Zinsenanspruch gegen den Abgabengläubiger in dem ihn benachteiligenden Fall, daß er zu einer Zahlung verpflichtet war, die ihm später mangels Rechtsbeständigkeit der Abgabenvorschreibung rückerstattet werden mußte. Die Richtigkeit dieses Standpunktes belegen auch die im Einleitungsbeschluß bezogenen Rechtsvorschriften (nämlich die Kaiserliche Verordnung RGBl. 79/1904 und das Einhebungsgesetz vom Jahre 1925, BGBl. 373) , da sie einen Anspruch auf Vergütungszinsen für bestimmte nicht rechtsbeständig vereinnahmte Steuerzahlungen in engem Zusammenhang mit einer Verzugszinsenpflicht des Steuerschuldners vorsehen. Die vom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Regelung, daß im Falle bestimmter Zahlungserleichterungen zwar Verzugszinsen zu leisten sind, ein Anspruch auf Verzinsung bei nicht rechtsbeständigen Abgabenvorschreibungen jedoch nicht besteht, ist somit in anders gelagerten Sachverhalten begründet und verstößt daher nicht gegen das Gleichheitsgebot.

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