JudikaturVfGH

G66/77 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
20. Dezember 1978

1. § 35 Abs. 2 und § 39 Abs. 1, 2, 3 und 6 des Lebensmittelgesetzes 1975 werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

2. § 43 Abs. 3 des LMG 1975 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Das B-VG unterscheidet für den Bereich der Verwaltung zwischen der Regelung der Organisation und des Aufgabenbereiches (siehe hiezu Pernthaler, Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Verwaltungsorganisation, Schriftenreihe des Instituts für Föderalismusforschung, Bd. 1, S. 34 ff.) . Der Begriff der Organisation wurde schon in der Stammfassung des B-VG BGBl. 1/1920 in Art. 12 Abs. 1 Z 1 und Art. 120 Abs. 1, später dann auch in der Neufassung des Art. 10 Abs. 1 Z 14 durch die Zweite Bundes- Verfassungsnov. BGBl. 392/1929, des Art. 77 Abs. 3 durch das B-VG BGBl. 171/1959, des Art. 15 Abs. 10 durch die B-VG-Nov. 1974, BGBl. 444/1974, und in Art. 14 a Abs. 4 durch das B-VG BGBl. 316/1975 verwendet.

Er kam auch in der Stammfassung des Übergangsgesetzes BGBl. 2/1920 in § 8 Abs. 2 und später in der Neufassung durch die Übergangsnov. BGBl. 269/1925 in § 8 Abs. 5 sowie in der Neufassung der §§ 4 und 5 durch das ÜG BGBl. 393/1929 vor. Ebenso ist der Begriff in Art. II § 4 des ÜG BGBl. 393/1929 enthalten. Von Organisationsfragen der Verwaltung handelt das B-VG auch unter Verwendung anderer Begriffe, so z. B. unter dem Begriff der Einrichtung von Behörden schon in der Stammfassung des Art. 10 Abs. 1 Z 16 und des Art. 77 Abs. 2, später in der Neufassung durch die Zweite Bundes-Verfassungsnov. BGBl. 392/1929 in Art. 11 Abs. 5, Art. 12 Abs. 2, sowie unter dem Begriff der Errichtung von Behörden in der Stammfassung des Art. 102 Abs. 4 und später in der Neufassung durch die Zweite Bundes-Verfassungsnov. in Art. 102 Abs. 6. Die "Organisation der Verwaltung in den Ländern " - auch der mittelbaren Bundesverwaltung - war bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1974 mit 1. Jänner 1975 Bundessache in der Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache in der Erlassung von Ausführungsgesetzen und in der Vollziehung ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG}) . Zufolge Neufassung der Art. 12 Abs. 1 und 15 B-VG durch die B-VG-Nov. 1974 fällt diese Organisation seit 1. Jänner 1975 in die Gesetzgebung und Vollziehung der Länder, wobei allerdings Landesgesetze, durch die die bestehende Organisation der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern geändert oder neu geregelt wird, nur mit Zustimmung der Bundesregierung kundgemacht werden dürfen ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 10 B-VG}) . Die Erläuterungen in der RV zur nunmehrigen B-VG-Nov. 1974 (182 Blg. NR, XIII. GP) weisen ausdrücklich auf die Bedeutung der Neuregelung für den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung hin. Zum Unterschied von der Regelung der Organisation der Verwaltung handelt das B-VG von der Regelung des Aufgabenbereiches z. B. im allgemeinen in Art. 12 Abs. 2, unter Nennung besonderer Aufgaben in Art. 15 Abs. 3, beide i. d. F. der Zweiten Bundes-Verfassungsnov. In diesem Zusammenhang werden auch andere Begriffe wie etwa Übertragung der Vollziehung, Betrauung mit Akten der Vollziehung, Übertragung der Geschäfte u. ä. verwendet, so z. B. in Art. 15 Abs. 4 und Art. 102 Abs. 1, beide i. d. F. der Zweiten Bundes-Verfassungsnov. und der B-VG-Nov. 1974, sowie in Art. 102 Abs. 6 i. d. F. der Zweiten Bundes-Verfassungsnov. und der B-VG-Nov. 1962, BGBl. 205. Diese Rechtslage nach dem B-VG zeigt, daß der Begriff der Organisation der Verwaltung in einem die Regelung der Zuständigkeiten nicht umfassenden Sinn zu verstehen ist.

Der VfGH hat in einer Reihe von Erk. die Gesetzgebungskompetenz in Angelegenheiten der Organisation der Verwaltung und in Angelegenheiten des Aufgabenbereiches von Verwaltungsbehörden und sonstigen Verwaltungsorganen - und zwar durchaus nicht in einheitlichem Sinn - behandelt.

Mit dem Begriff der Organisation hat sich der VfGH in Slg. 1119/1928 befaßt. Er hat hiezu ausgeführt: "Unter ' Organisation ' im eigentlichen und engeren Sinne des Wortes ist die Aufstellung und Einrichtung von Organen zu verstehen. Wenn Art. 12 Z 1 von ' Organisation der Verwaltung in den Ländern ' spricht und diese Angelegenheit der Grundsatzgesetzgebung des Bundes vorbehält, so ist dabei gewiß vor allem daran gedacht, daß durch ein Grundsatzgesetz des Bundes bestimmt werden soll, welche Behörden und Ämter die Verwaltung in den Ländern zu besorgen haben und nach welchen Prinzipien diese Behörden und Ämter organisiert werden sollen. Unter ' Organisation ' in einem weiteren Sinne des Wortes kann allerdings nicht nur die Ausstellung und Einrichtung von Organen, sondern auch die Zuweisung ihres Wirkungskreises verstanden werden. Allein man muß annehmen, daß unter ' Organisation der Verwaltung in den Ländern ' , von der Art. 12 Abs. 1 Z 1 spricht, kleinere Verschiebungen in den Wirkungsbereich schon bestehender Behörden nicht verstanden werden können." Im Erk. Slg. 2832/1955 hat der VfGH auf Antrag einer Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit der grundsatzgesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs. 2 Jugendwohlfahrtsgesetz, BGBl. 99/1954 (wonach, soweit die Durchführung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde fällt, diese Aufgaben von einer eigenen Abteilung - Jugendamt - zu besorgen sind, der fachlich entsprechend ausgebildetes Fürsorgepersonal zur Verfügung stehen muß, geprüft. Er hat diese Bestimmung unter Bezugnahme auf {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG} als nicht verfassungswidrig erachtet, und zwar mit der Begründung (S. 157) , daß die Bestimmung eine Anordnung nur in Sachen der inneren Organisation der Bezirksverwaltungsbehörde trifft.

In dem Erk. Slg. 4609/1963 hat der VfGH über die Kompetenz zur Erlassung und Vollziehung eines von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfes eines Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Tuberkulose ( Tuberkulosegesetz) entschieden. Zu den §§ 7 und 8 dieses Entwurfes, in denen unter der Überschrift "Pflichten des ärztlichen Leiters" die Obliegenheiten des mit der Betreuung der Tuberkulösen betrauten Arztes der Bezirksverwaltungsbehörde geregelt sind, hat der VfGH ausgeführt (S. 872) , es werde damit nur der sachliche Aufgabenkreis dieses Arztes festgelegt. Es werde damit nur ausgesagt, daß für die Betreuung der Tuberkulösen ein Arzt zu bestellen sei und daß dieser im Rahmen seiner Tätigkeit bestimmte Aufgaben zu besorgen habe. Damit werden aber nicht mehr geregelt, als daß die Bezirksverwaltungsbehörde im Rahmen der Betreuung der Tuberkulösen bestimmte Aufgaben zu besorgen und sich dabei eines Arztes zu bedienen habe. In welcher Form dieser Arzt und sein Aufgabenkreis in die Bezirksverwaltungsbehörde organisatorisch eingegliedert werde, bleibe durchaus offen, d. h. ungeregelt. Es würden also in Wahrheit durch diese Bestimmungen die Obliegenheiten der Bezirksverwaltungsbehörde und nicht die eines ihrer Organe geregelt.

Zu § 10 des Entwurfes, der unter der Überschrift "Einrichtungen zur Betreuung der Tuberkulösen" bestimmt, die Bezirksverwaltungsbehörden hätten Vorsorge zu treffen, daß geeignete Einrichtungen zur Untersuchung der Kranken und zur Durchführung der Betreuung vorhanden seien, insbesondere daß ein Facharzt für Lungenkrankheiten oder wenn ein solcher Arzt nicht zur Verfügung stehe, ein anderer fachlich geeigneter Arzt mit der Betreuung der Kranken zu betrauen sei und diesem Arzt ein zur Durchführung seiner Aufgaben entsprechend ausgebildetes Personal zuzuweisen sei, hat der VfGH ausgeführt (S. 874) , daß auch damit nicht geregelt sei, wie dies organisatorisch durchgeführt werde, insbesondere ob für diese Zwecke eine eigene Abteilung der Bezirksverwaltungsbehörde zu bilden sei oder nicht, und daß daher diese Bestimmung dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG} nicht unterstellt werden könne. Sie sei vielmehr ihrem Inhalte nach eine Regelung auf dem Gebiete des Gesundheitswesens nach Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG, weil diese Bestimmung nicht mehr aussage, als daß zur Besorgung der in Rede stehenden Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde ein Arzt zu bestellen sei und daß das diesem beizugebende Sanitätspersonal entsprechend ausgebildet sein müsse.

Im übrigen hat der VfGH wiederholt ausgesprochen, daß die Regelung des Aufgabenbereiches, also der Zuständigkeit der einzelnen Behörden den die einzelnen Verwaltungsgebiete behandelnden einfachen Gesetzen zukomme (z. B. in Slg. 2425/1952) . In bezug auf die behördlichen Hilfsorgane der Bundesgendarmerie, deren Organisation gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 14 B-VG} dem Bundesgesetzgeber zugewiesen ist, ist in den Erk. Slg. 4692/1964 und 8035/1977 ausgeführt, daß die Zuweisung von Exekutivaufgaben nicht Sache des für die Regelung der Organisation zuständigen Gesetzgebers, sondern Sache des die einzelne Materie regelnden Gesetzgebers sei.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, daß nachstehende Angelegenheiten von der Zuständigkeit zur Regelung der Organisation der Verwaltung nicht umfaßt sind: die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung von Maßnahmen verwaltungspolizeilicher Natur folgt - sofern hiefür nicht eine besondere Regelung besteht - der Kompetenz zur Regelung der Materie (Slg. 2192/1951) und auch die Regelung über die Beiziehung von bestimmten Sachverständigen in einem Verfahren obliegt grundsätzlich - sofern nicht die Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 11, Art. 11 Abs. 2 B-VG} oder die Sonderbestimmung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 2 B-VG} zum Tragen kommt - dem Gesetzgeber, der zur materiellrechtlichen Regelung der Angelegenheit berufen ist (vgl. z. B. Slg. 3054/1956, 3061/1956, 6937/1972, 8035/1977) .

Das LMG 1975 erfaßt, wie dessen §§ 1 bis 6 zu entnehmen ist, nicht bloß Lebensmittel, sondern auch Verzehrprodukte, die nicht überwiegend Ernährungszwecken oder Genußzwecken dienen, Zusatzstoffe zu Lebensmitteln oder Verzehrprodukten, kosmetische Mittel und Gebrauchsgegenstände bestimmter Art, so daß als kompetenzrechtliche Basis nicht nur der Kompetenztatbestand des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG} "... Ernährungswesen einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle" , sondern auch jener des Gesundheitswesens und des Veterinärwesens in Betracht zu ziehen ist (siehe dazu 182 Blg. NR XIII. GP, S. 21) .

Die Bestimmungen des Art. 10 Abs. 1 Z 12 und des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG} (in der Stammfassung) sind zufolge Neufassung des § 42 des ÜG BGBl. 2/1920 durch die Übergangsnov. BGBl. 269/1925 gemäß deren Art. III am 1. Oktober 1925 in Kraft getreten. Dadurch, daß der Verfassungsgesetzgeber diese beiden Tatbestände nebeneinander gestellt hat, brachte er zum Ausdruck, daß eine die Organisation der Verwaltung in den Ländern (hier der mittelbaren Bundesverwaltung) betreffende Regelung (Art. 12 Abs. 1 Z 1) nicht von den Tatbeständen des Art. 10 Abs. 1 Z 12 erfaßt sein kann. Ein und dieselbe Materie kann nämlich nur einem Kompetenztatbestand zugeordnet werden (Slg. 4348/1963) . Dazu kommt, daß die besondere Heraushebung der Organisation der Verwaltung in den Ländern als eigenen Kompetenztatbestand es inhaltlich ausschließt, derartige Organisationsfragen als Teil einer Sachmaterie des Art. 10 zu sehen, so daß der in Slg. 2987/1956 (bezüglich der Abgrenzung von Pressewesen und Jugendfürsorge) ausgesprochene Gedanke, dem Art. 10 komme der Vorrang vor Art. 12 zu, hier nicht zum Tragen kommen kann.

Die Qualifikation einer konkreten Norm entweder als organisatorische oder als funktionelle, d. h. eine bestimmte Aufgabe umschreibende materiellrechtliche Regelung ist dann unerläßlich, wenn der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung zufolge die Zuständigkeit zur Regelung der Behördenorganisation und jene zur Regelung einer bestimmten Materie jeweils verschiedenen Autoritäten (Bund, Land) zukommt. Dies trifft insbesondere für den hier in Rede stehenden Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung zu: die Materiengesetzgebung obliegt gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 B-VG} dem Bund, die Organisationsgesetzgebung dagegen ist - vom Fall des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 1 zweiter Satz B-VG} abgesehen - gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 1 B-VG} Landessache.

Zwischen "Organisation" (Einrichtung) und "Funktion" (Aufgaben von Behörden besteht ein Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit.

Insofern nämlich, als jede organisatorische Regelung notwendig auf die Bewältigung irgendwelcher Funktionen ausgerichtet ist und umgekehrt die Regelung jeglicher Funktion auf ihre organisatorische Bewältigung Bedacht nehmen muß. Niemals kann daher eine organisatorische Regelung auf zumindest globale Aussagen über die Art der der Behörde zukommenden Funktionen zur Gänze verzichten und es enthält umgekehrt jede funktionelle (materiellrechtliche) Regelung notwendig auch organisatorische Bezüge, d. h. Aussagen, die sich als konkrete Ergänzung des abstrakten Organisationsrechtes darstellen.

Organisation und Funktion fließen sohin derart ineinander, daß im Grenzbereich eine eindeutige Zuordnung allein vom Begriff her nicht möglich ist. Die Zuordnung muß sich deshalb in Zweifelsfällen daran orientieren, ob der Bezug der fraglichen Norm zur abstrakten Organisation oder ob der - voraussetzungsgemäß ebenfalls vorhandene - Bezug der Norm zur konkreten Funktion im Vordergrund steht. Darüber, in welchen Fällen der eine oder der andere Gesichtspunkt überwiegt, können allgemeine Aussagen nicht gemacht werden; im vorliegenden Fall stellt sich die konkrete Frage, ob die Anordnung des § 35 Abs. 2 LMG 1975, wonach bei der dem Landeshauptmann obliegenden Überwachung des Verkehrs mit den durch dieses Gesetz erfaßten Waren nur bestimmt qualifizierte Organwalter Verwendung finden dürfen, primär die (in den Grundsätzen durch das B-VG BGBl. 289/1925 geregelte) Organisation des Amtes der Landesregierung oder aber vornehmlich die Überwachung des Lebensmittelverkehrs berührt. Nach Ansicht des VfGH ist letzteres der Fall. Die hier in Rede stehende Regelung unterscheidet sich wesentlich etwa von der Anordnung, daß zum Bezirkshauptmann nur ein rechtskundiger Beamter bestellt werden darf (z. B. § 2 Abs. 2 Salzburger Landesgesetz, LGBl. 59/1976, § 5 Abs. 1 Tiroler LandesG, LGBl. 11/1977 und § 5 Abs. 3 Vorarlberger LandesG, LGBl. 1/1976) . Obwohl hier wie dort eine bestimmte Qualifikation von Organwaltern gefordert wird, ist der Bezug zu einer konkreten Materie im § 35 Abs. 2 LMG 1975 unverhältnismäßig näher als jener zur Behördenorganisation, während im angeführten Beispiel gerade umgekehrt der Bezug zur organisatorischen Einrichtung der Behörde überwiegt. Die hier in Prüfung stehende Bestimmung ist - und diese Auffassung liegt unausgesprochen auch dem Erk. Slg. 4609/1963 zugrunde - unter dem hier maßgebenden Gesichtspunkt nicht anders zu beurteilen, als etwa eine Regelung, derzufolge die zuständige Behörde bei Erledigung bestimmter Angelegenheiten bestimmt qualifizierte Sachverständige einzusetzen hat (z. B. §§ 67 Abs. 2 und 124 bis 127 KFG 1967) . Die Erlassung solcher Normen aber fällt in die Zuständigkeit des Materiengesetzgebers. Die von der gegenteiligen Annahme ausgehenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 35 Abs. 2 LMG 1975 haben sich mithin als unbegründet erwiesen. Diese Gesetzesbestimmung war somit nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Da sich die Bedenken gegen § 35 Abs. 2 LMG 1975 als unbegründet erwiesen haben, ist den gegen § 39 LMG 1975 entstandenen Bedenken die Grundlage entzogen.

Gemäß § 43 Abs. 3 LMG 1975 sind die Bundesanstalten berechtigt, in den im ersten und zweiten Satz angeführten Fällen durch ihre Organe die den Aufsichtsorganen des Landeshauptmannes (allenfalls gemäß § 35 Abs. 3 der Gemeinden) eingeräumten Befugnisse jeweils unter Mitwirkung eines Aufsichtsorganes der zuständigen Behörde auszuüben, wobei gemäß dem dritten (letzten) Satz die zuständige Behörde verpflichtet ist, ein Aufsichtsorgan zur Mitwirkung zu entsenden. Der Begriff der Mitwirkung hat einen verfassungsgesetzlich vorgebildeten Inhalt. Dieser Begriff, der im B-VG an mehreren Stellen vorkommt, so in Art. 14 Abs. 4 lit. a (Mitwirkung der Schulbehörden des Bundes bei Vollziehungsakten des Landes) , in Art. 15 Abs. 3 (Mitwirkung von Bundespolizeibehörden bei der Verleihung von landesgesetzlich vorgesehenen Berechtigungen) , in Art. 81 (Mitwirkung der Länder bei Verwaltungsakten des Bundes) , in Art. 97 Abs. 2 (Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung von Landesgesetzen) , hat in diesen Zusammenhängen die Bedeutung einer Teilnahme an den im Vollziehungsbereich einer anderen Autorität liegenden Akten (vgl. Slg. 2598/1953) . Diese Bedeutung auf den Aufgabenbereich von Vollziehungsorganen übertragen heißt, daß das an der Besorgung einer Aufgabe nur mitwirkende Organ dem für die eigentliche Besorgung der Aufgabe zuständigen Organ zugeordnet ist. Wird nun in den ersten beiden Sätzen des § 43 Abs. 3 LMG 1975 die Mitwirkung von Aufsichtsorganen der an sich zuständigen Behörde an Amtshandlungen der Bundesanstalten normiert, so bedeutet diese Regelung, daß die Aufsichtsorgane der zuständigen Behörde den Bundesanstalten zugeordnet werden: Über die Ausübung der den Bundesanstalten eingeräumten Berechtigungen in ihrer den Aufsichtsorganen gleichenden Funktion entscheidet nicht mehr die für die Überwachung zuständige Behörde (d. i. gemäß § 35 Abs. 1 grundsätzlich der Landeshauptmann, in den Fällen der Übertragung gemäß § 35 Abs. 3 die betreffende Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich) , sondern die Bundesanstalt. Dieser Inhalt der ersten beiden Sätze des § 43 Abs. 3 LMG 1975 wird durch den letzten Satz dieser Gesetzesstelle bekräftigt, der die an sich zuständige Behörde verpflichtet, zu Amtshandlungen, die die Bundesanstalten nur unter Mitwirkung eines Aufsichtsorganes der zuständigen Behörde vornehmen dürfen, ein solches Aufsichtsorgan zu entsenden. Damit wird aber den Bundesanstalten die Stellung einer Behörde eingeräumt, und zwar nicht einer dem Landeshauptmann unterstellten, sondern einer an seiner Stelle stehenden Behörde. Die in § 43 Abs. 3 LMG 1975 enthaltenen sonstigen Änderungen gegenüber der vorher geltenden Regelung in § 26 Abs. 2 LMG 1951 (Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Bundesregierung BGBl. 239/1951) könnten zwar darauf hindeuten, daß den Bundesanstalten auch in diesem Bereich nicht die Stellung einer Behörde eingeräumt werden sollte. Diese vorherige Regelung, die - abgesehen von der Streichung des Wortes "technische" vor dem Worte "Untersuchung" durch die LMG-Nov. BGBl. 231/1950 - noch auf die Stammfassung des Gesetzes RGBl. 89/1897 zurückgeht, ermächtigte die Untersuchungsanstalten, ihre Überwachungsbefugnisse "unter Zuziehung " der bei der Behörde bestellten Aufsichtsorgane auszuüben und knüpfte in dem dort erstgenannten Fall die Ausübung der Befugnisse der Untersuchungsanstalten an die Voraussetzung "wenn es der Untersuchungsanstalt im Laufe einer anhängigen Untersuchung notwendig erscheint" , während nach der Regelung des ersten Satzes in § 43 Abs. 3 LMG 1975 die Ausübung der Befugnisse durch die Bundesanstalten nur an die - objektivierte - Voraussetzung geknüpft ist, "wenn es sich im Laufe einer anhängigen Untersuchung als notwendig erweist" .

Die vorstehend dargestellte Regelung der Mitwirkung der Aufsichtsorgane der zuständigen Behörde an Amtshandlungen der Bundesanstalten führt jedoch zwingend dazu, dem § 43 Abs. 3 LMG 1975 den Inhalt beizumessen, daß damit den Bundesanstalten in dem dort geregelten Bereich die Stellung einer Behörde zukommt. Für die Errichtung von Bundesanstalten als Behörde im Bereich des in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgenden § 43 Abs. 3 LMG 1975 wäre gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 4 B-VG} die Zustimmung der beteiligten Länder erforderlich gewesen.

Bei Prüfung eines Gesetzes hat der VfGH jede Phase seiner Entstehung zu prüfen (Slg. 4497/1963) . Da die gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 4 B-VG} erforderliche Zustimmung fehlt, ist die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung des § 43 Abs. 3 LMG 1975 verfassungswidrig zustandegekommen und war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

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