JudikaturVfGH

G7/78 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. Dezember 1978

Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung von Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes 1966, des Gewerbesteuergesetzes 1953 und des Vermögensteuergesetzes 1954 (Fassung des 2. Abgabenänderungsgesetzes 1977) .

Durch die angefochtenen Bestimmungen des KStG 1966 werden der Antragstellerin nicht unmittelbar Rechtspflichten auferlegt. Vielmehr bedarf es gemäß § 23 KStG 1966 in Verbindung mit § 39 und {Einkommensteuergesetz 1972 § 45, § 45 EStG 1972} zur Aktualisierung und Konkretisierung der sich u. a. auf Grund der angefochtenen Bestimmungen des KStG 1966 ergebenden (abstrakten Steuerschuld stets eines Körperschaftsteuerbescheides oder eines Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides (vgl. Beschl. Slg. 8431/1978) . Schon diese Überlegungen zeigen, daß der Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin nicht unmittelbar durch das Gesetz bewirkt worden ist.

Ähnliches gilt für den angefochtenen § 2 Z 3 und 4 GewStG 1953. Ob diese Befreiungsbestimmungen für die Antragstellerin zum Tragen kommen oder nicht, wird erst durch einen nach § 15 Abs. 2 leg. cit. zu erlassenden Gewerbesteuermeßbescheid (in dem auch die Feststellung der sachlichen und persönlichen Abgabepflicht liegt - {Bundesabgabenordnung § 194, § 194 Abs. 3 BAO}) oder einen gemäß § 22 Abs. 4 leg. cit. ergehenden Gewerbesteuer-Vorauszahlungsbescheid aktualisiert. Auch diese Bestimmungen bedürfen zu ihrer aktuellen Wirksamkeit einer Mediatisierung durch Bescheide.

Auch der angefochtene § 3 Abs. 1 Z 2 und 4 VermögensteuerG 1954 bedarf nach den §§ 12 bis 14 leg. cit. zu seiner Aktualisierung zwingend eines Veranlagungsbescheides. Erst dieser individuelle Rechtsakt stellt fest, ob die bekämpften Befreiungsbestimmungen auf die Antragstellerin zutreffen oder nicht.

Anders verhält es sich jedoch mit dem angefochtenen § 26 Abs. 4 GewStG 1953: Nach § 25 leg. cit. ist Besteuerungsgrundlage der Lohnsummensteuer die Lohnsumme. § 26 bestimmt den Inhalt des zuletzt genannten Begriffes und legt u. a. im Abs. 4 bestimmte Begünstigungen bei der Berechnung der Lohnsumme fest. Ob die Antragstellerin dieser Begünstigung teilhaft wird, hat sie dem § 28 GewStG zufolge grundsätzlich selbst zu beurteilen. Nach Abs. 1 wird die Lohnsummensteuer für einen Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Monats fällig, ohne daß es eines vorangehenden Bescheides bedarf.

Dies ergibt sich deutlich aus § 29 Abs. 1 GewStG 1953, wonach "der Steuermeßbetrag nach der Lohnsumme auf Antrag des Steuerschuldners oder der beteiligten Gemeinde und nur dann festgesetzt wird, wenn ein berechtigtes Interesse an der Festsetzung dargetan wird" .

§ 26 GewStG 1953 kann sohin zwar die Rechtssphäre der Antragstellerin aktuell berühren.

Die Rechtsordnung bietet der Antragstellerin aber jedenfalls folgenden Weg zur Abwehr der behaupteten, durch die angebliche Verfassungswidrigkeit der bekämpften Bestimmungen des UStG 1972 bewirkten Rechtsverletzung: Nach der zit. Bestimmung des § 29 Abs. 1 GewStG 1953 hat die Antragstellerin die Möglichkeit, einen Bescheid zu erwirken, in dem auch über die Anwendbarkeit des § 26 Abs. 4 abgesprochen wird. Der VwGH hat mit Erk. vom 14. Feber 1974, Z. 247/73, und vom 4. April 1974, Z 1045/1973, ausgeführt, daß ein Unternehmer, der die Lohnsummensteuerpflicht seines Unternehmens bestreitet, die Wahl hat, entweder zunächst die Abfuhr der Abgabe zu verweigern und es der Gemeinde zu überlassen, beim zuständigen Finanzamt den Antrag auf Festsetzung des Steuermeßbetrages zu stellen oder die Steuer zunächst abzuführen und vom Finanzamt eine Entscheidung über die Lohnsummensteuerpflicht zu begehren. Beschreitet er den zweiten Weg, dann darf die Gemeindebehörde nicht in der Zahlung des Abgabenbetrages und in der Abgabe der Erklärung ein unwiderrufliches Anerkenntnis der Abgabepflicht erblicken. Vielmehr hat sie, wenn das Finanzamt in der Folge ausspricht, daß die Abgabepflicht für ein bestimmtes Jahr nicht bestanden habe, die für diesen Zeitraum entrichtete Abgabe abzuschreiben, sofern nur feststeht, daß der Unternehmer innerhalb der ersten sechs Monate nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres diesen Feststellungsbetrag beim Finanzamt gestellt hat.

Der VfGH schließt sich dieser Ansicht des VwGH an.

Die Antragstellerin hat also einen Rechtsanspruch auf Erlassung des erwähnten Bescheides. Diesen kann sie nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG} beim VfGH und nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 131, Art. 131 B-VG} beim VwGH bekämpfen. In der Beschwerde an den VfGH kann sie die amtswegige Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 26 Abs. 4 GewStG 1953 und in der Beschwerde an den VwGH die Stellung eines Antrages auf Prüfung der zit. Gesetzesstelle anregen.

Dieser Weg wäre für die Antragstellerin durchaus zumutbar. Er würde für sie keine außergewöhnliche Härte mit sich bringen. Insbesondere würde sie sich bei dem oben geschilderten Vorgehen nicht der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen. Die Antragsteller müßten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich für sie ergeben, wenn sie den aufgezeigten Weg beschreiten, auch in jenen Fällen in Kauf nehmen, in denen sie die - im Bereiche der Vollziehung liegende - Rechtswidrigkeit von Steuerbescheiden rügen wollten.

Rückverweise