JudikaturVfGH

G46/76 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
13. Dezember 1978

Dem Antrag des VwGH auf Aufhebung der Worte "nach seiner Beschaffenheit oder" im zweiten Satz des § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. Dezember 1969, LGBl. für Slbg. 24/1970 (Slbg. Grundverkehrsgesetz) , wird keine Folge gegeben.

Die in Punkt 2 des Erkenntnisses ausführlich dargestellte ständige Rechtsprechung des VfGH seit dem Jahre 1954 zeigt, daß der Ausdruck " Grundverkehrsrecht" vom VfGH nicht i. S. von Vorschriften über den Verkehr mit Grundstücken schlechthin verstanden wird, sondern immer i. S. von Vorschriften, die sich auf solche Grundstücke beziehen, die ganz oder teilweise dem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind. Wenn man von dieser Rechtsprechung im Lichte der in den vergangenen Jahren zum Tiroler GVG ergangenen Erk. des VfGH ausgeht, zeigt sich, daß die im Antrag des VwGH angestellten, auf den Erk. des VfGH betreffend das Vorarlberger GVG beruhenden Überlegungen auf die hier angefochtene Bestimmung des Slbg. GVG nicht zutreffen.

§ 1 Abs. 1 Slbg. GVG enthält in seinem ersten Satz die Feststellung, daß landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Grundstücke i. S. dieses Gesetzes Grundstücke sind, die ganz oder überwiegend einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind. Das bedeutet, daß der Landesgesetzgeber den Anwendungsbereich des Gesetzes i. S. der ständigen Rechtsprechung des VfGH auf den Zusammenhang eines Grundstückes mit einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb bzw. auf die Widmung eines Grundstückes abstellt. Im zweiten Satz des Abs. 1 werden als Beurteilungskriterien für eine solche Widmung die Beschaffenheit oder die Art der tatsächlichen Verwendung des Grundstückes angeführt.

Die Beschaffenheit eines Grundstückes stellt aber nur eines jener Kriterien dar, aus denen zu schließen ist, ob die Widmung eines Grundstückes zu einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb vorliegt; nur bei Vorliegen der Widmung handelt es sich um ein Grundstück i. S. des GVG.

Insoweit unterscheidet sich die im vorliegenden Fall angefochtene Gesetzesbestimmung von den Bestimmungen des Vlbg. GVG, welche vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben worden sind (Slg. 6342/1970, 7838/1976) . Diese Bestimmungen waren nämlich lediglich darauf abgestellt, ob ein Grundstück (schlechthin) landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich nutzbar ist (GVG LGBl. 20/1969) bzw. ob ein Grundstück, welches dem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet war und landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich nutzbar ist, vorliegt (LGBl. 36/1973) .

Diese Gesetzesbestimmungen stellten somit entweder überhaupt keinen Zusammenhang mit einer Widmung zu einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb her oder begnügten sich mit einer seinerzeit vorgelegenen Widmung, ohne hiefür eine zeitliche Begrenzung (was gegebenenfalls als Maßnahme zur Verhinderung von Umgehungshandlungen anzusehen wäre) aufzuweisen. Im Gegensatz zu den (aufgehobenen) Bestimmungen des Vlbg. GVG stellt die Nutzbarkeit bzw. die Beschaffenheit eines Grundstückes kein selbständiges Kriterium dar, welches dafür ausschlaggebend sein könnte, ob ein landwirtschaftliches oder forstwirtschaftliches Grundstück i. S. des GVG vorliegt oder nicht. Maßgeblich hiefür bleibt nämlich nach § 1 Abs. 1 erster Satz immer der widmungsgemäße Zusammenhang eines Grundstückes mit einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb.

Der VfGH kann sich daher auch der Argumentation des VwGH nicht anschließen, wonach ein solcher Zusammenhang dahingehend, daß das Grundstück tatsächlich einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet gewesen sein muß, in der zur Erörterung stehenden Gesetzesstelle nicht normiert sei. Diese Normierung ist vielmehr im ersten Satz des § 1 Abs. 1 enthalten: die Widmung zu einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb muß vorliegen, ansonsten ist das GVG auf das betreffende Grundstück nicht anzuwenden. Der Hinweis des VwGH auf die Vorerkenntnisse des VfGH betreffend die Vlbg. GVG trifft deshalb nicht zu, weil nach den Vlbg. GVG die Nutzbarkeit eines Grundstückes ohne jede weitere Widmung bzw. eine irgend einmal vorgelegene Widmung genügte. Wenn der Landesgesetzgeber die Beschaffenheit eines Grundstückes lediglich als ein Beurteilungskriterium dafür heranzieht, ob eine Widmung zu einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb vorliegt, handelt er auch i. S. der in den Erk. Slg. 6342/1970 und 7838/1976 dargelegten Erwägungen durchaus noch im Rahmen der dem Landesgesetzgeber durch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 1 B-VG} eingeräumten Kompetenzen. Der VfGH vermag sich jener Deutung des Inhaltes des § 1 Abs. 1, wie sie der VwGH vornimmt, nicht anzuschließen, der diese Bestimmung i. S. der unwiderlegbaren Vermutung interpretiert, wonach ein Grundstück, welches nach seiner Beschaffenheit sich als landwirtschaftliches oder forstwirtschaftliches Grundstück darstellt, notwendigerweise als ganz oder überwiegend einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet zu qualifizieren sei. Die vom VwGH vorgenommene Interpretation ist nicht zwingend. Die angefochtene Bestimmung ist durchaus einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich.

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