JudikaturVfGH

WI-1/78 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
04. Dezember 1978

Keine Bedenken gegen § 17 Gemeindeordnung und §§ 51 und 52 Gemeindewahlordnung.

Bezüglich der Wahl des Bürgermeisters bestimmt § 17 Abs. 2 GO, daß dieser aus der Mitte der Mitglieder des Gemeinderates mit einfacher Stimmenmehrheit zu wählen ist. Die näheren Vorgänge bei der Wahl sind in § 51 Abs. 3 GWO geregelt. Die übrigen Mitglieder des Gemeindevorstandes sind gemäß § 17 Abs. 3 GO aus der Mitte der Mitglieder des Gemeinderates nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes zu wählen, wobei die Bürgermeisterstelle den seiner Wahlpartei zukommenden Gemeindevorstandsstellen zuzuzählen ist. Des näheren bestimmt dazu § 52 Abs. 2 GWO, daß die Gemeindevorstandsstellen (d. s. gemäß § 17 Abs. 1 GO die Stellen des Bürgermeisters, des oder der Vizebürgermeister und der übrigen Mitglieder des Gemeindevorstandes) in sinngemäßer Anwendung des § 44 (d. i. nach der Methode d'Hondt) auf die einzelnen Parteien im Verhältnis ihrer Mandatszahl aufgeteilt werden und daß die auf eine Partei entfallende Zahl der Gemeindevorstandsmitglieder von den Gemeinderatsmitgliedern dieser Partei (d. i. also im Wege der Fraktionswahl) in einem eigenen Wahlgang unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 51 gewählt werden. § 52 Abs. 3 GWO i. d. F. LBGl. 22/1977 bestimmt dazu noch, daß die anspruchsberechtigten Parteien die einzelnen Stellen in der Weise zu besetzen haben, daß der Bürgermeister in die Zahl der Vorstandsmitglieder einzurechnen ist. Aus diesen Bestimmungen in Zusammenhalt mit den Bestimmungen des § 17 Abs. 1 GO ("bei mehreren Vizebürgermeistern nach der Reihenfolge ihrer Wahl") und den einen bestimmten Fall der Bürgermeisterwahl betreffenden Regelungen des § 52 Abs. 3 zweiter bis vierter Satz GWO (2. Satz letzter Satzteil: "dann beginnt die Reihe der Wahl der übrigen Vorstandsmitglieder mit der nächstgrößten Partei, sodaß der erstgewählte Vizebürgermeister dieser Partei angehört" und 4. Satz letzter Satzteil: "wenn diese Partei nach der Wahl des Bürgermeisters und des 1. Vizebürgermeisters Anspruch auf eine Gemeindevorstandsstelle hat") ergibt sich, daß nach der Wahl des Bürgermeisters die Wahl der Vorstandsmitglieder in der Reihenfolge: 1. Vizebürgermeister, 2. Vizebürgermeister, übrige Vorstandsmitglieder vorzunehmen und dabei der Bürgermeister einzurechnen ist.

Aus den angeführten gesetzlichen Bestimmungen ist eindeutig abzuleiten, daß lediglich der Bürgermeister nach Grundsätzen des Mehrheitswahlrechtes zu wählen ist, daß jedoch die Stellen der Vizebürgermeister den Wahlparteien nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes zukommen. Der Umstand, daß der Bürgermeister gemäß § 17 Abs. 1 GO bei Verhinderung vom Vizebürgermeister, bei mehreren Vizebürgermeistern nach der Reihenfolge ihrer Wahl vertreten wird und daß der Bürgermeister und die Vizebürgermeister gemäß § 20 Abs. 2 GO i. d. F. LGBl. 47/1970 zwingend eine laufende, angemessene Entschädigung zu erhalten haben, rechtfertigt - entgegen der Meinung der Landeswahlbehörde - keinesfalls die Auffassung, daß damit auch für die Vizebürgermeister das Mehrheitswahlrecht konstituiert ist. Es braucht daher auch nicht untersucht zu werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine solche Regelung mit dem Gebot des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 117, Art. 117 Abs. 5 B-VG} vereinbar wäre. Die Frage, welcher Wahlpartei der 2. Vizebürgermeister zufallen soll, ist daher einer Mehrheitsabstimmung nicht zugänglich. Die Vornahme der Abstimmung durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart, ob die 2. Vizebürgermeisterstelle der ÖVP oder der SPÖ zukommt, war daher rechtswidrig.

Die Wahlzahl war 2 3/4. Diese Zahl ist sowohl in 12 (Anzahl der ÖVP- Gemeinderatsmandate) als auch in 11 (Anzahl der SPÖ- Gemeinderatsmandate) viermal enthalten, es entfallen daher je vier Gemeindevorstandsstellen auf die ÖVP und auf die SPÖ, die FPÖ dagegen hat keinen Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ergibt sich aus dieser der d'Hondt'schen Methode entsprechenden Berechnung von vornherein bloß die quantitative Verteilung der Gemeindevorstandsstellen, nicht aber auch eine Reihung dieser Stellen. Die Anordnung des § 52 Abs. 3 erster Satz GO, wonach "der Bürgermeister in die Zahl der Vorstandsmitglieder seiner Partei einzurechnen ist" , bedeutet demnach lediglich, daß die nach d'Hondt errechnete Zahl der Gemeindevorstandsstellen jener Partei, die den Bürgermeister stellt, um eins zu kürzen ist, so daß - im vorliegenden Fall - auf die SPÖ nicht vier, sondern bloß drei Gemeindevorstandsstellen entfallen.

Anders liegen die Dinge in Ansehung des oder der Vizebürgermeister.

Der Vizebürgermeister vertritt den Bürgermeister, wenn zwei Vizebürgermeister gewählt werden vertreten diese den Bürgermeister " nach der Reihenfolge ihrer Wahl" (§ 17 Abs. 1 GO) . Allein aus dieser Vorrangstellung des (oder der) Vizebürgermeister vor den weiteren Gemeindevorstandsmitgliedern sowie aus der Vorrangstellung des ersten vor dem zweiten Vizebürgermeister ergibt sich eine Reihung, auf die bei der Gemeindevorstandswahl Bedacht genommen werden muß; der Gesetzgeber hat das in § 17 Abs. 1 GO und in § 52 Abs. 3 zweiter bis letzter Satz GWO auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Das bedeutet, daß - ohne Rücksicht darauf, welche Fraktion den Bürgermeister stellt - die Stelle des ersten Vizebürgermeisters jedenfalls der mandatsstärksten Partei, die Stelle des zweiten Vizebürgermeisters aber jener Partei zukommt, der in der d'Hondt'schen Aufstellung der Parteisummen und ihrer Quotienten die Ordnungszahl zwei zuzuordnen ist, d. h. mit anderen Worten: der stärksten Partei, wenn sie mehr als doppelt so stark ist wie die zweitstärkste Partei, andernfalls aber der zweitstärksten Partei. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich im übrigen auch daraus, daß der Gesetzgeber im zweiten bis letzten Satz des § 52 Abs. 3 GWO für bestimmte Fälle Anordnungen getroffen hat, die deutlich als gewollte Abweichung von der hier - für den Regelfall - als richtig erkannten Reihung erkennbar sind. Für den vorliegenden, den Sonderregelungen des § 52 Abs. 3 zweiter bis letzter Satz GWO nicht unterliegenden Fall ergibt sich sohin, daß die Stelle des ersten Vizebürgermeisters der ÖVP, jene des zweiten Vizebürgermeisters dagegen der SPÖ zukommt.

Darin, daß die Fraktion der SPÖ die Besetzung der Stelle des zweiten Vizebürgermeisters für sich in Anspruch genommen hat, liegt sohin keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.

a) Aus den maßgeblichen bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, daß der Landesgesetzgeber ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 115, Art. 115 Abs. 2 B-VG}) bei der Regelung sowohl der Instituierung als auch der Wahl der Organe der Gemeinde einen weiten Spielraum hat. Bezüglich der Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes enthält die Bundesverfassung keine Bindung dahin, daß der Bürgermeister dem Gemeindevorstand angehören muß (siehe {Bundes-Verfassungsgesetz Art 117, Art. 117 Abs. 1 B-VG}) , sie enthält auch keine ausdrückliche Regelung dahin (siehe Art. 117 Abs. 5 und {Bundes-Verfassungsgesetz Art 119, Art. 119 Abs. 4 letzter Satz B-VG}) , daß die Mitglieder des Gemeindevorstandes dem Gemeinderat angehören müssen. Für den vorliegenden Fall ist nur von Bedeutung, daß es dem Landesgesetzgeber ermöglicht ist, bei Regelung einer nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes vorzunehmenden Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes aus der Mitte der Mitglieder des Gemeinderates das passive Wahlrecht auf Angehörige der betreffenden Partei zu beschränken, wie auch von einer solchen Beschränkung abzusehen.

b) Die GO und die GWO sehen nun folgende Regelungen vor: Die Mitglieder des Gemeindevorstandes (außer dem Bürgermeister, der aus der Mitte der Mitglieder des Gemeinderates mit einfacher Stimmenmehrheit zu wählen ist; § 17 Abs. 2 GO) sind aus der Mitte der Mitglieder des Gemeinderates nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes zu wählen, wobei allerdings der Bürgermeister den seiner Wahlpartei zukommenden Gemeindevorstandsstellen zuzuzählen ist (§ 17 Abs. 3 GO) . Die auf eine Partei entfallende Zahl von Gemeindevorstandsmitgliedern wird in einem eigenen Wahlgang von den Gemeinderatsmitgliedern dieser Partei - Fraktionswahl - gewählt (§ 52 Abs. 2 GWO) . Aus den weiteren Bestimmungen der GWO ergibt sich, daß die Wahl der auf eine Partei entfallenden Gemeindevorstandsmitglieder im Wege der Fraktionswahl auch bezüglich des passiven Wahlrechtes auf die Angehörigen dieser Partei beschränkt ist. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist die Regelung des zweiten Satzes in § 52 Abs. 3 GWO (i. d. F. LGBl. 21/1977) verständlich, die der zweitgrößten Partei im Gemeinderat bestimmte Rechte bei der Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes sichern soll: in dem dort geregelten Fall wird davon ausgegangen, daß der von der zweitgrößten Partei zu wählende Vizebürgermeister dieser Partei "angehört" .

Eine Ausnahme von dieser Regel der Fraktionswahl gilt nur für den Fall des § 52 Abs. 4, daß nämlich die betreffende Partei das für die Vornahme der Wahl nötige Anwesenheitsquorum in zwei Sitzungen nicht erreicht. In diesem Fall geht das Wahlrecht für die der betreffenden Partei zukommenden Mitglieder des Gemeindevorstandes an den Gemeinderat über, der unverzüglich (also in dieser zweiten Sitzung) die Wahl vornimmt, ohne dabei eine bestimmte Partei berücksichtigen zu müssen. Aus diesem letzten Satzteil ist übrigens auch abzuleiten, daß für den Regelfall der Wahl der Gemeindevorstandsmitglieder (nämlich die Fraktionswahl) eine solche Berücksichtigung der betreffenden Partei angeordnet ist. Der in {Bundes-Verfassungsgesetz Art 117, Art. 117 Abs. 5 B-VG} verankerte Anspruch der im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien kann auch durch eine Regelung realisiert werden, wie sie die GWO in § 52 trifft. Nach der geltenden Regelung in der GO und der GWO ist es demnach ausgeschlossen, daß eine im Gemeinderat vertretene Partei bei der Wahl der auf sie nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes entfallenden Mitglieder des Gemeindevorstandes eine Person wählt, die ihrer Partei nicht angehört.

{Bundes-Verfassungsgesetz Art 117, Art. 117 Abs. 3 B-VG} erlaubt es dem Landesgesetzgeber, das sogenannte Fraktionswahlrecht zu instituieren, um zu verhindern, daß eine Fraktion überstimmt wird, wenn es darum geht, eine nach dem Proporz ihr zufallende Stelle durch Wahl zu besetzen (vgl. Slg. 6614/1971) . {Bundes-Verfassungsgesetz Art 117, Art. 117 Abs. 5 B-VG} räumt den im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien den Anspruch ein, nach Maßgabe ihrer Stärke im Gemeindevorstand vertreten zu sein. Die Worte "nach Maßgabe ihrer Stärke" besagen nichts anderes als daß damit auf die Grundsätze des Verhältniswahlrechtes verwiesen wird (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des VfGH seit Slg. 1381/1931 und 1382/1931, in denen das Wesen des Verhältniswahlrechtes in der Vertretung der Partei, nach Maßgabe ihrer Stärke gesehen wird) . Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung mit {Bundes-Verfassungsgesetz Art 119, Art. 119 Abs. 4 letzter Satz B-VG} ergibt sich, daß verfassungsgesetzlich die Möglichkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, daß der Bürgermeister und die (sonstigen) Mitglieder des Gemeindevorstandes dem Gemeinderat nicht angehören; durch diese Regelung - anderes braucht hier nicht untersucht zu werden - wird der Landesgesetzgeber jedoch nicht gehindert, die Wahl des Bürgermeisters und der (sonstigen) Mitglieder des Gemeindevorstandes auf Personen aus der Mitte des Gemeinderates zu beschränken (vgl. Slg. 6614/1971) .

Der Wahlanfechtung wird teilweise stattgegeben. Die am 25. November 1977 vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart im Wege der Wahl durch die Gemeinderatsmitglieder der SPÖ durchgeführte Wahl von Hans Bucher (FPÖ) zum 2. Vizebürgermeister wird aufgehoben. Soweit sich die Wahlanfechtung auf andere Teile des Wahlverfahrens bezieht, wird ihr nicht stattgegeben.

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