JudikaturVfGH

G27/78 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
04. Dezember 1978

§ 47 a Abs. 2 GSPVG, BGBl. 292/1957, i. d. F. der 14. Nov., BGBl. 310/1965 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

§ 98 a Abs. 2 ASVG, BGBl. 189/1955, i. d. F. der 17. Nov., BGBl. 309/1965 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Im Erk. Slg. 4860/1964 hat der VfGH erwogen, ob zwischen den Pensionen nach dem ASVG und den Ruhegenüssen und Versorgungsgenüssen der Beamten (und den übrigen Ruhegeldern) ein Unterschied besteht, aus dem die verschiedene Behandlung dieser Bezügegruppen als Exekutionsobjekt ableitbar wäre. Er hat dabei verneint, daß die in Betracht gezogenen Nachwirkungen eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses auf den dienstrechtlichen Inhalt des Ruhestandsverhältnisses in irgendeinem Zusammenhang mit der exekutionsrechtlichen Behandlung der öffentlichrechtlichen Ruhegenüsse stehen könnten, und ausgesprochen, daß die Alterspensionen nach Zweck und Inhalt durchaus den auf anderen Rechtsgrundlagen beruhenden Ruhegenüssen und Versorgungsgenüssen entsprechen. Er hat daraus den Schluß gezogen, daß jedenfalls Ansprüche auf Geldleistungen aus der Pensionsversicherung sich von den Arbeitseinkommen i. S. des Lohnpfändungsgesetzes nicht dermaßen unterscheiden, daß die damals in Rede stehende Pfändungsbeschränkung des {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 98, § 98 Abs. 1 ASVG} i. d. F. der 11. Nov., BGBl. 184/1963, (Pfändung nur zugunsten von Vorschüssen auf Rechnung der Versicherungsleistung oder gesetzlichen Unterhaltsansprüchen) gerechtfertigt werden konnte. Von der damaligen Rechtslage unterscheidet sich die hier vorliegende einerseits dadurch, daß an die Stelle des früheren Typus der Pfändungsbeschränkung eine solche nach dem Muster des § 4 LohnpfändungsG getreten ist, andererseits dadurch, daß die Sonderbestimmungen nur für andere als Alterspensionen gelten. Zu vergleichen sind also nunmehr insbesondere Invaliditätspensionen im weiteren Sinn (Invaliditätspensionen bei Arbeitern, §§ 254 ff. ASVG; Berufsunfähigkeitspensionen bei Angestellten, §§ 271 ff. ASVG; Erwerbsunfähigkeitspensionen bei selbständig Gewerbetreibenden, §§ 73 ff. GSPVG) mit dem Ruhegenuß des dienstunfähig gewordenen und deshalb in den zeitlichen oder dauernden Ruhestand versetzten Beamten. Der Gerichtshof vermag aber auch insoweit nach Inhalt und Zweck dieser beiden Gruppen von Versorgungsbezügen keine Unterschiede zu erkennen, die eine verschiedene pfändungsrechtliche Behandlung nach Art der vorliegenden rechtfertigen könnte.

Die Bundesregierung meint, die sozialversicherungsrechtlichen Pensionen vom Ruhegenuß des öffentlichrechtlichen Bediensteten im Hinblick auf dessen Entgeltcharakter unterscheiden zu können. Sie bezieht sich dabei auf die Erk. Slg. 3389/1958 und 3774/1960, in denen der VfGH Ruhensbestimmungen des Gehaltsüberleitungsgesetzes BGBl. 22/1947 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aufgehoben und dabei den von der Bundesregierung unternommenen Versuch, das Ruhen der Pension als Vermeidung einer Doppelversorgung aus Staatsmitteln zu rechtfertigen, mit dem Hinweis auf den Entgeltcharakter des Ruhegenusses zurückgewiesen hat. Im vorliegenden Zusammenhang ist aus der Unterscheidung von Entgelt und Versorgung jedoch nichts zu gewinnen. Schon im Erk. Slg. 4860/1964 hat der Gerichtshof ähnliche Schlußfolgerungen des OGH mit der Begründung abgelehnt, dieser Unterscheidung fehle eine Beziehung zur exekutionsrechtlichen Behandlung der beiden Bezügegruppen. Das gilt umso mehr für die vorliegende - eingeschränktere - Abweichung, weil den Ruhegenüssen dienstunfähiger Beamter noch eher Elemente der Versorgung innewohnen als den (damals hauptsächlich in Vergleich gezogenen) öffentlichrechtlichen Alterspensionen. Was also ganz allgemein eine pfändungsrechtliche Differenzierung zwischen Pensionen nicht rechtfertigt, kann auch einer solchen zwischen sozialversicherungsrechtlichen Invaliditätspensionen der einen oder der anderen Art und der Versorgung dienstunfähiger Beamten keine Grundlage bieten.

Aus denselben Gründen erweisen sich auch die in den Materialien angestellten Überlegungen zur Ähnlichkeit der Invaliditätspensionen mit den in § 4 Abs. 1 Z. 1 LohnpfändungsG genannten Körperverletzungsrenten (Gesundheitsverletzungsrenten) und Unterhaltsrenten oder Unterstützungsbezügen als müßig. Ist nämlich die Differenzierung zwischen den in Rede stehenden sozialversicherungsrechtlichen Pensionen und den Beamtenpensionen gleichheitswidrig, so kann der Vergleich mit den wirtschaftlich Ersatz für fehlendes oder ausfallendes Arbeitseinkommen bietenden Leistungen ebenso dahingestellt bleiben wie die Sachlichkeit der besonderen Pfändungsbeschränkung für solche Bezüge.

Trifft aber der Vorwurf der Gleichheitsverletzung schon im Verhältnis zu den Ruhegenüssen aus öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen zu, so kommt es nicht mehr darauf an, ob auch die innerhalb des Kreises der Bezieher von Pensionen nach den Sozialversicherungsgesetzen getroffene Unterscheidung in Alterspensionen und sonstige Leistungen unsachlich ist.

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