G21/78 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Im § 53 Abs. 7 lit. a Bewertungsgesetz 1955, BGBl. 148, i. d. F. des Abschnittes I Art. I Z 22 Abgabenänderungsgesetz 1977, BGBl. 320, werden die mit den Worten "bei Mietobjekten" beginnenden letzten beiden Sätze als verfassungswidrig aufgehoben.
Art. II Z 3 im Abschnitt I AbgabenänderungsG 1977, BGBl. 320, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Bei der nun geltenden Fassung der in Prüfung stehenden beiden Sätze des § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 ist es ausgeschlossen, eine ausdehnende Auslegung vorzunehmen und bei der Bewertung bebauter Grundstücke die in lit. a vorgesehene Kürzung auch dann vorzunehmen, wenn nach dem 31. Dezember 1967 Wohnungen nicht auf Grund von Mietverträgen, sondern von Nutzungsverträgen zum Gebrauch überlassen werden; ebenso ist es ausgeschlossen (wie es im Gegensatz dazu nach der früheren Fassung dieser Gesetzesstelle gemäß den Erk. des VwGH vom 10. Dezember 1975, Z 1021, 1220, 1225/75, und des VfGH Slg. 8020/1977, geboten war) , diese Kürzungsvorschriften in ausdehnender Auslegung bei der Bewertung bebauter Grundstücke anzuwenden, für die nach dem 31. Dezember 1967 eine Mietzinsbeschränkung nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bzw. der WGGDV in Betracht kommt.
Die in Rede stehende Kürzung ist nach dem Gesetz (§ 53 Abs. 7 erster Satz BewG 1955) eine Maßnahme "zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Ertragsfähigkeit bebauter Grundstücke" . Die Regelung folgt somit bezüglich der Berücksichtigung der Mietzinse bei der Bewertung den Überlegungen, die - in verschiedener Weise - schon den bisherigen Regelungen zugrunde lagen. Waren die Mietzinse nach der vom VfGH mit Erk. Slg. 3936/1961 wegen Gesetzwidrigkeit aufgehobenen Regelung des § 2 der Verordnung des BM für Finanzen vom 4. Mai 1956 über die Bewertung bebauter Grundstücke BGBl. 109/1956 unmittelbarer Maßstab für die Wertermittlung, so sah der durch das Bundesgesetz BGBl. 145/1963 neugefaßte § 53 BewG 1955 einen Sonderabschlag für Grundstücke vor, für die ein durch gesetzliche Vorschriften beschränkter Mietzins entrichtet wird. Durch diese letztgenannte Vorschrift sollten (siehe die EB in der RV, 100 Blg. NR X. GP vom 6. Mai 1963, S. 11; auch Slg. 5730/1968) die Mietzinse, soweit sie die Ertragsfähigkeit und damit den gemeinen Wert von Mietwohngrundstücken und von gemischtgenutzten Grundstücken mindern, das Bewertungsergebnis beeinflussen. Der VfGH hat in seinem Erk. Slg. 8020/1977 (im Anschluß an das Erk. des VwGH vom 10. Dezember 1975, Z. 1021, 1220 und 1225/75) zu dem letzten Halbsatz des § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 i. d. F. BGBl 447/1972 die Rechtsauffassung vertreten, diese Bestimmung müsse i. S. einer verfassungskonformen - gleichheitssatzgemäßen - Auslegung dahin verstanden werden, daß auch bei Vermietungen nach dem 31. Dezember 1967 die Annahme eines gesetzlich beschränkten Mietzinses nicht allein für den Bereich des dort angeführten § 15 Wohnhaus- Wiederaufbaugesetz zu gelten habe, sondern im Einzelfall zu prüfen sei, ob eine geltende gesetzliche Mietzinsbeschränkung in ihrer Wirkung derjenigen des § 15 gleichkomme; andernfalls werde der Vorschrift ein gleichheitssatzwidriger Inhalt unterstellt. Die in diesem Erk. enthaltene Aussage, daß der letzte Halbsatz des § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 i. d. F. vor dem AbgabenänderungsG 1977 einen gleichheitswidrigen Inhalt hätte, wenn die im WGG und in der WGGDV enthaltenen Bestimmungen über die Mietzinsbildung nicht als gesetzliche Vorschriften i. S. dieser Gesetzesstelle in Betracht kämen, ist anläßlich des dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Beschwerdefalles zu erweitern. Die Ertragsfähigkeit bebauter Grundstücke wird nicht allein durch die gesetzliche Beschränkung von Mietzinsen gemindert, sondern auch durch gesetzliche Beschränkungen von Benützungsentgelten anderer Art (wie etwa nach § 7 Abs. 2 WGG und {Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen § 11, § 11 Abs. 3 WGGDV}) . Es treffen daher die Bedenken zu, daß sich kein sachlich motivierter Grund finden lasse, der eine unterschiedliche Behandlung der bebauten Grundstücke bei der Einheitsbewertung rechtfertigen würde, je nachdem, ob sich das Recht zur Nutzung einer Wohnung aus einem Mietvertrag i. S. des bürgerlichen Rechts oder einem anderen Rechtsgrund herleitet, wenn in allen Fällen ein durch gesetzliche Vorschriften wie immer beschränktes Entgelt für die Überlassung des Wohnraumes zu entrichten ist. Die in der Äußerung der Bundesregierung dargelegte Rechtsauffassung, daß das Abstellen des BewG 1955 auf Mietobjekte nicht unsachlich sein könne, weil der Gesetzgeber hier eben von der privatrechtlich fest umrissenen Einrichtung der Mietverträge ausgehe, die zum Unterschied von Nutzungsverträgen von Haus aus durch das Element der Dauer gekennzeichnet sei, trifft nicht zu. Auch ein Nutzungsvertrag kann einem Mietvertrag hinsichtlich der Dauer durchaus gleichstehen. Dies trifft insbesondere zu, wenn - wie hier - eine Genossenschaft ihre Wohnungen an Mitglieder überläßt (§ 5 Abs. 2 WGG) und die abzuschließenden Nutzungsverträge nur bei Ausscheiden als Mitglied aus der Genossenschaft erlöschen und eine Kündigung nur aus bestimmten in dem behördlich genehmigten Mustervertrag (§ 11 Abs. 2 und 4 WGGDV) angeführten Gründen möglich ist. Enthält aber die gesetzliche Regelung einer bestimmten Materie sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierungen, also Differenzierungen, die nicht aus entsprechenden Unterschieden im Tatsachenbereich gerechtfertigt werden können, so verstößt die Regelung gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot (vgl. z. B. Slg. 7973/1976 und die dort angeführte Vorjudikatur) .
Die in Prüfung stehenden Bestimmungen der beiden letzten Sätze des § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 stehen im übrigen in keinem untrennbaren Zusammenhang mit den restlichen Bestimmungen dieser lit. a. Nach Aufhebung der in Prüfung stehenden Bestimmungen ist es möglich, den verbleibenden restlichen Teil verfassungskonform i. S. des Erk. Slg. 8020/1977 und des vorliegenden Erk. auszulegen.
Art II Z 3 im Abschnitt I des AbgabenänderungsG 1977, BGBl 320, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Diese Bestimmung ist nach ihrem Wortlaut uneingeschränkt bei Hauptfeststellungen zum 1. Jänner 1974 anzuwenden. Der Gesetzgeber hat nicht zwischen schon rechtskräftig veranlagten und noch nicht rechtskräftig veranlagten Fällen unterschieden, woraus folgt, daß auch ein rechtskräftiger Bescheid kein Hindernis darstellt, die Hauptfeststellung, Fortschreibung oder Nachfeststellung nochmals nach den neuen Bestimmungen vorzunehmen. Die Vollziehung hat alle von der Neuregelung betroffenen Fälle gleich zu behandeln. Der in der in Prüfung gezogenen Bestimmung liegende Gesetzesbefehl ist unmittelbar wirksam. (Vgl. zu einer gleichen Rechtsfrage in Zusammenhang mit der EStGNov. 1965 Slg. 5411/1966, S. 738 f.) Gegen eine Rückwirkung solcher Art bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch hiezu das angeführte Erk. Slg. 5411/1966) .