B182/76 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der VfGH hält an seiner im Erk. Slg. 7018/1973 geäußerten Rechtsansicht fest. Es hat sich aber seither durch die Erlassung des {Einkommensteuergesetz 1972 § 25, § 25 Abs. 1 Z 3 EStG 1972} die Rechtslage geändert. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen wiederkehrenden Bezug, der als Gegenleistung für die Übertragung eines Wirtschaftsgutes (an den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien) anzusehen ist. Es stellt sich die Frage, ob ein solcher Bezug als einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung gleichartig qualifiziert werden kann.
Typischerweise sind Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung Einkünfte, die auf jahrelangen Beitragszahlungen während des Bestandes eines Versicherungsverhältnisses beruhen. Eine Gleichartigkeit mit diesem für die gesetzliche Sozialversicherung typischen Beitragssystem liegt im vorliegenden Fall jedenfalls nicht vor. Nun kennt das Sozialversicherungsrecht aber in bestimmten Fällen auch die Institution der freiwilligen Höherversicherung und gestattet dafür auch die Erbringung von höheren in einem einzigen Jahr einzuzahlenden Leistungen: z. B. § 20 Abs. 3 und {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 77, § 77 Abs. 2 ASVG}; § 6 und § 26 Abs. 3 GSPVG; § 6 und {Bundes-Personalvertretungsgesetz § 18, § 18 B-PVG}. Die näheren Bestimmungen sind dabei auf die Besonderheiten der jeweiligen Sozialversicherung abgestellt, aber jedenfalls dadurch gekennzeichnet, daß der Betrag für die Höherversicherung zwar grundsätzlich in einer vom Versicherten gewählten Höhe zu entrichten ist, aber eine bestimmte Höchstgrenze nicht übersteigen darf. Es kann dahingestellt bleiben, ob derartige, innerhalb des Sozialversicherungssystems atypische Leistungen zur Beurteilung der Gleichartigkeit überhaupt herangezogen werden können. Denn auch wenn dem so wäre, läge nämlich keine Gleichartigkeit mit der im vorliegenden Fall bezogenen Individualrente aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärtztekammer für Wien vor: So sind für eine sozialversicherungsrechtliche Pension auf Grund freiwilliger Höherversicherung nicht nur entsprechende Einzahlungen erforderlich.
Vielmehr bedarf es auch anderer Momente, um zu einer Anspruchsvoraussetzung zu gelangen. So ist der besondere Steigerungsbetrag bei der freiwilligen Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung ein Bestandteil der Pension. Er kann daher nur gebühren, wenn Anspruch auf die Pension besteht, also unter anderem auch die Wartezeit erfüllt und die Dritteldeckung gegeben ist. Weiters enthalten sämtliche erwähnten Sozialversicherungsgesetze eine altersmäßige Begrenzung derart, daß eine freiwillige Höherversicherung nur bis zu einem bestimmten Alter (bei Männern 60. Lebensjahr, bei Frauen 55. Lebensjahr) zulässig ist. Überdies unterwirft das Sozialversicherungsrecht einmalige Einzahlungen bestimmten betraglichen Begrenzungen: so wird die jährliche Einzahlung durch {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 77, § 77 Abs. 2 ASVG} i. d. F. 25. Nov. (BGBl. 385/1970) - d. i. jene Fassung des {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 77, § 77 ASVG}, auf die sich das EStG 1972 bezieht - mit dem 30-fachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage begrenzt. (Ähnliche Begrenzungen kennt auch § 26 Abs. 3 GSPVG und § 18 B-PVG) . Diese beitragsmäßige Begrenzung der einmaligen Einzahlung hat insofern einkommensteuerrechtliche Relevanz, als sie im Zusammenhalt mit den Bestimmungen über die (über 20 Jahre verteilbare) Absetzbarkeit von Sonderausgaben ({Einkommensteuergesetz 1972 § 18, § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1972}) bewirkt, daß alle oder jedenfalls der größte Teil einmalig hingegebener Beiträge in diesem Bereich als Sonderausgaben abgesetzt werden können. Eine Gesamtbetrachtung dieser Unterschiedlichkeiten zeigt, daß im gegenständlichen Fall die aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer erbrachten Leistungen keineswegs als mit den Leistungen der gesetzlichen Pensionsversicherung " gleichartig" anzusehen sind. Daher fällt die sog. Individualrente des Bf. nicht unter die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z 3 EStG 1972.
Sie ist vielmehr eine Zusatzleistung, die zum weitaus überwiegenden Teil als Gegenleistung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für eine private Leistung gegeben wird. Solche Gegenleistungen unterliegen der Steuerpflicht nur insoweit, als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung übersteigt (§ 29 Z. 1 dritter Satz EStG 1972) . Dies entspricht dem Grundgedanken des Einkommensteuerrechts, demzufolge eine steuerpflichtige Einnahme nur einmal besteuert werden und eine steuerpflichtige Ausgabe nur einmal geltend gemacht werden kann (vgl. die Rechtsprechung des VwGH Slg. 4535 F, 4134 F, 3581 F, 3107 F, 2038 F, 1763 F, 1775 F aber auch die Grundgedanken der Erk. des VwGH Z. 2186/75, 271/76 vom 16. Juni 1976 und des VfGH Slg. 7981/1977 und B 254/76 vom 16. Juni 1977) . Der angefochtene Bescheid ist in Anwendung des § 299 Abs. 2 der BAO, BGBl. 194/1961, ergangen, wonach ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden kann. Der angefochtene Bescheid hat nur kassatorische Wirkung, trifft aber selbst keine meritorische Entscheidung. Er besagt in der Begründung, warum die bel. Beh. den aufgehobenen Bescheid für rechtswidrig hält.