JudikaturVfGH

B449/75 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
29. Juni 1978

Der VfGH ist der Auffassung, daß es sich auch bei der Erlassung von durch Gebotszeichen nach § 52 Z 15 StVO 1960 kundzumachende Verordnungen um eine Regelung für den fließenden Verkehr und demnach i. S. des Erk. Slg. 6944/1972 um eine Angelegenheit handelt, in der die überörtlichen Interessen die örtlichen Interessen überwiegen. Die Erlassung solcher Verordnungen fällt daher nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

Nach § 48 Abs. 2 StVO 1960 sind die Straßenverkehrszeichen grundsätzlich auf der rechten Straßenseite anzubringen, es sei denn, daß sich aus den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes etwas anderes ergibt. Nach § 51 Abs. 1 StVO 1960 sind die Vorschriftszeichen vor der Stelle, für die sie gelten, anzubringen. Hinsichtlich des Gebotszeichens "vorgeschriebene Fahrtrichtung" bestimmt § 52 lit. b Z 15 StVO (i. d. F. vor der 6. Nov. BGBl. 412/1976) , daß dieses Zeichen anzeigt, daß Lenker von Fahrzeugen nur in der durch den Pfeil angegebenen Fahrtrichtung fahren dürfen. Der Pfeil kann der jeweiligen Verkehrslage entsprechend z. B. senkrecht, gebogen, geneigt oder mit mehr als einer Spitze ausgeführt sein. Ein nach unten geneigter Pfeil zeigt den zu benützenden Fahrstreifen an. Der VfGH ist der Auffassung, daß sich für die Anbringung der Verkehrszeichen zur Regelung des Verkehrs an Schutzinseln, im besonderen des Verkehrszeichens nach § 52 lit. b Z 15 StVO 1960, aus dem Inhalt des Verkehrszeichens selbst, im besonderen dann, wenn den Verkehrsteilnehmern die bei einer Schutzinsel einzuhaltende Fahrtrichtung durch einen nach rechts unten zeigenden Pfeil vorgeschrieben wird, eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, daß Verkehrszeichen grundsätzlich auf der rechten Straßenseite anzubringen sind, ergeben hat. Die Anbringung eines solchen Verkehrszeichens auf der rechten Straßenseite wäre unverständlich und sinnwidrig, weil durch dieses Verkehrszeichen auf einen zu benützenden Fahrstreifen gar nicht mehr hingewiesen werden könnte.

Der Inhalt des Verkehrszeichens selbst erfordert eine Anbringung nach den örtlichen Verhältnissen, gegebenenfalls vor allem auch auf der Schutzinsel selbst. Dieser Inhalt des Gesetzes wurde durch Anfügung eines Zusatzes an die Bestimmung des § 52 lit. b Z 15 durch die 6. StVO-Nov., BGBl. 412/1976, lediglich klargestellt, wonach nunmehr ausdrücklich vorgesehen ist, daß das Zeichen entsprechend dem angestrebten Gebot auch nur auf der Fahrbahn (wie etwa auf einer Schutzinsel oder vor einem Hindernis) angebracht werden darf. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß die Aufstellung des Verkehrszeichens am Beginn der Schutzinsel im Gesetz seine Deckung hatte und daß der Umstand, daß das Gebotszeichen nach § 52 lit. b Z 15 StVO 1960 sich nicht auf der rechten Straßenseite befunden hat, eine Gesetzwidrigkeit der übergeleiteten Verordnung nicht zu bewirken vermag.

Nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 4 B-VG} wird durch übereinstimmende Gesetze des Bundes und des betreffenden Landes geregelt, inwieweit Bundespolizeibehörden in ihrem örtlichen Wirkungsbereich auf dem Gebiete der Straßenpolizei mit Ausnahme der örtlichen Straßenpolizei (Art. 118 Abs. 3 Z 4) die Vollziehung übertragen wird. Der VfGH ist der Auffassung, daß es Absicht des Verfassungsgesetzgebers gewesen ist, durch diese Verfassungsbestimmung die Übertragung der Vollziehung auf Bundespolizeibehörden nicht nur in den vom Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" in Art. 11 Abs. 1 Z 4 umfaßten Angelegenheiten, sondern sinnvoller Weise auch in der hinsichtlich der Zuständigkeit wegen der akzessorischen Natur mit diesem Kompetenztatbestand verbundenen Verwaltungsmaterie "Verwaltungsstrafrecht in den Angelegenheiten der Straßenpolizei" zu ermöglichen. Diese Absicht des Verfassungsgesetzgebers kommt in den von ihm verwendeten Worten "auf dem Gebiete der Straßenpolizei" zum Ausdruck. Daraus ergibt sich, daß die Behauptung des Bf., wonach die Vollziehung des Verwaltungsstrafrechtes in den Angelegenheiten der Straßenpolizei nicht durch paktierte Gesetze auf Bundespolizeibehörden übertragen werden könne, nicht zutrifft.

Im gegebenen Zusammenhang sind allein jene Bestimmungen von Bedeutung, mit denen der Bundespolizeidirektion Wien die Ausübung des Verwaltungsstrafrechtes in den Angelegenheiten der Straßenpolizei übertragen wurde. Dies geschah (i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 4 B-VG}) wörtlich übereinstimmend durch § 95 Abs. 1 lit. b StVO und § 1 Abs. 1 lit. b des Wr. Landesgesetzes, LGBl. 30/1960, wonach auf dem Gebiete der Straßenpolizei die Ausübung des Verwaltungsstrafrechtes (§§ 99 und 100 StVO) einschließlich der Führung des Verzeichnisses von Bestrafungen (§ 96 StVO) , mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, der Bundespolizeidirektion Wien zur Vollziehung übertragen wurde.

Anzumerken ist noch, daß es für die Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien und für ihre Pflicht zur Durchführung des Strafverfahrens in 1. Instanz ohne Belang ist, auf welche Weise sie vom strafbaren Verhalten des Bf. Kenntnis erlangt hat (vgl. {Verwaltungsstrafgesetz 1991 § 25, § 25 Abs. 1 VStG}) . Daher ist auch auf die Beschwerdeausführungen, die darauf hinauslaufen, daß die Anzeigeerstattung durch den Meldungsleger (ein Sicherheitswacheorgan der Bundespolizeidirektion Wien) unzulässig gewesen wäre, nicht weiter einzugehen. Ebensowenig muß sich der VfGH mit der Frage auseinandersetzen, ob der im angefochtenen Bescheid genau umschriebene Tatort im 8. oder 9. Wr. Gemeindebezirk liegt, da sich die Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien zur Verfolgung von Übertretungen der StVO auf das gesamte Gemeindegebiet von Wien erstreckt.

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