B19/76 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der VfGH hält an der in seinem Erk. Slg. 6694/1972 getroffenen Aussage zur Frage der Herausgabepflicht von Schriftstücken, Urkunden und einschlägigen Stellen der Geschäftsbücher von Rechtsanwälten fest. Die im vorliegenden, den § 42 Abs. 1 ASVG betreffenden Fall anzuwendenden Verfahrensvorschriften kennen im Gegensatz zur BAO kein Recht auf Verweigerung der Vorlage von Geschäftsbüchern insoweit, als ein Zeugnisverweigerungsrecht gegeben ist. Gemäß {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 357, § 357 ASVG} gilt für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen und in Verwaltungssachen eine Reihe von Bestimmungen des AVG, nicht jedoch {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 49, § 49 AVG}, in welchem u. a. das Zeugnisverweigerungsrecht von Rechtsanwälten geregelt ist, woraus allenfalls auch das Recht zur Verweigerung der Vorlage von Geschäftsbüchern abgeleitet werden könnte. Die bel. Beh. hat daher nicht denkunmöglich gehandelt, wenn sie zwar § 42 Abs. 1 ASVG, nicht aber § 9 Rechtsanwaltsordnung zur Anwendung brachte. Es ist keineswegs denkunmöglich anzunehmen, daß die im § 9 RAO vorgesehenen Ausnahmen von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht durch § 42 Abs. 1 ASVG erweitert wurden. Es war daher auch nicht denkunmöglich, davon auszugehen, daß die §§ 9 RAO und 42 Abs. 1 ASVG für den Rechtsanwalt nicht zwei miteinander kollidierende Pflichten mit sich bringen, sondern daß die Verschwiegenheitspflicht gemäß {Rechtsanwaltsprüfungsgesetz § 9, § 9 RAO} durch {Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 42, § 42 Abs. 1 ASVG} insoweit eingeschränkt wurde.