JudikaturVfGH

A5/77 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
16. März 1978

Klage eines Krankenanstaltenträgers auf Zahlung von Zweckzuschüssen nach § 57 KAG.

Gemäß § 65 Abs. 1 Krankenanstaltengesetz "tritt dieses Bundesgesetz gegenüber den Bundesländern für die Ausführungsgesetzgebung mit dem Tag der Kundmachung" (7. Jänner 1957) , "im übrigen in jedem Bundesland gleichzeitig mit dem in dem betreffenden Bundesland erlassenen Ausführungsgesetz in Kraft" . Ähnliche Formulierungen sind in den etwa aus der gleichen Zeit wie das KAG stammenden Vorschriften enthalten, mit denen das Inkrafttreten von bundesgrundsatzgesetzlichen Bestimmungen geregelt wird (z. B. Art. II Abs. 1 Landarbeitsgesetz, BGBl. 140/1948; Art. V Abs. 2 Agrarbehördengesetz 1950, BGBl. 1/1951; Art. III Abs. 1 des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Waldnutzungsrechte und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. 103/1951) . Es hat zwar zunächst den Anschein, als würde sich die Inkrafttretensregel des letzten Halbsatzes des § 65 Abs. 1 KAG auf jenen Teil des Gesetzes beziehen, der nicht grundsatzgesetzliche Bestimmungen (also unmittelbar anwendbares Bundesrecht) enthält. An der Richtigkeit dieser Auslegung entstehen aber im Hinblick auf die geschilderte, damals übliche legistische Praxis erhebliche Zweifel; diese Praxis scheint nämlich nur damit erklärbar zu sein, daß sie von der Rechtsansicht ausgegangen ist, das Grundsatzgesetz trete den Normadressaten gegenüber erst mit Erlassung des Landesausführungsgesetzes in Kraft; dann aber könnte sich auch der letzte Halbsatz des § 65 Abs. 1 KAG wohl nur auf die grundsatzgesetzlichen Bestimmungen des Gesetzes beziehen. Unter diesen Umständen ist auf den Ausschußbericht zum KAG (164 dB StProt NR, VIII. GP) zurückzugreifen, der zu § 65 besagt: "Diese Bestimmung bezieht sich nur auf den grundsatzgesetzlichen Teil und die binnen Jahresfrist zu erlassenden Ausführungsgesetze der Bundesländer, während die Bestimmungen des Zweiten Teiles dieses Bundesgesetzes, die unmittelbar anwendbares Bundesrecht enthalten, sofort nach Kundmachung wirksam werden." Der VfGH nimmt auf Grund der obigen Ausführungen an, daß § 65 Abs. 1 KAG den Inhalt hat, der sich aus dem Ausschußbericht ergibt. Das bedeutet, daß diese Bestimmung lediglich das Inkrafttreten des Ersten Teiles des KAG, der "grundsätzliche Bestimmungen über Krankenanstalten" enthält, regelt, nicht aber das Inkrafttreten des Zweiten Teiles (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) . Für diesen Zweiten Teil trifft sohin das KAG in Ansehung des Inkrafttretens keine Regelung; damit gelten für diesen Zweiten Teil des KAG (in dem sich die §§ 57 und 58 finden) die Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt. Die §§ 57 und 58 KAG sind sohin nach Ablauf des Tages der Kundmachung (7. Jänner 1957) in Kraft getreten.

Die §§ 57 und 58 KAG enthalten keinen bestimmten Zahlungstermin. Als einzige Frist ist im § 58 der 30. April eines jeden Kalenderjahres vorgesehen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Anträge auf Gewährung eines Zweckzuschusses dem BM für Gesundheit und Umweltschutz im Wege des Landeshauptmannes vorzulegen. Dem Antrag sind die erforderlichen Nachweise über die finanzielle Gebarung anzuschließen, und zwar - dem offenkundigen Sinn des Gesetzes zufolge - jene über die Gebarung des unmittelbar vorangegangenen Kalenderjahres. Mangels anderslautender Bestimmungen ist somit der Zweckzuschuß zu dem Betriebsabgang des unmittelbar vorangegangenen Kalenderjahres zu leisten, der in dem Antrag auf Gewährung eines Zweckzuschusses bis 30. April nachzuweisen ist (vgl. Slg. 4818/1964) . Der VfGH hat in diesem Erk. weiters dargetan, daß gemäß §§ 57 und 58 KAG und {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 904, § 904 ABGB} der Zweckzuschuß sogleich, d. h. ohne unnötigen Aufschub, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember des Jahres, in dem der Antrag vorgelegt wurde, zu leisten ist. Der VfGH sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Die Berechnung der Höhe der Zweckzuschüsse richtet sich, wie sich aus dem Wortlaut und dem Sinn des § 57 KAG deutlich ergibt, nach jenen Pflegegebühren, die für das Jahr galten, für das der Zuschuß gewährt wird und nach dem Betriebsabgang, der sich in demselben Jahr ergeben hat. Bei diesem für die Zuschußhöhe maßgeblichen Jahr handelt es sich nach dem oben Gesagten um das Jahr, das dem Jahr der Fälligkeit vorangeht. Nichts deutet darauf hin, daß der für die Berechnungsbasis der Pflegegebühr und des Betriebsabganges maßgebliche Zeitraum von jenem abweichen sollte, für den der Zuschuß (der ja zur - teilweisen - Bedeckung des in diesem Zeitraum entstandenen Abganges dient) gewährt wird. Daran ändert nichts, wenn unmittelbar nach Inkrafttreten des KAG aus praktischen Erwägungen zunächst als Berechnungsbasis für den ersten Zuschuß der im Jahr 1956 entstandene Betriebsabgang gewählt wurde, um die erste Zuschußleistung rascher bewirken zu können. Die Höhe der Zweckzuschüsse wird - wie sich aus § 12 Abs. 2 F-VG 1948 ergibt - durch Gesetz festgesetzt: sie unterliegt daher nicht der freien Disposition des Bundes und der empfangenden anderen Gebietskörperschaft. Es ist ausgeschlossen, daß ein Gesetzesauftrag durch ein (diesem entgegenstehendes) Verhalten der Bundesverwaltung geändert wird, selbst wenn die andere Gebietskörperschaft dieses Verhalten jahrelang billigt.

Art. II Z 1 der 2. KAG-Nov. ist unklar gefaßt. Aus dem Titel des Art. II "Regelung der Zweckzuschüsse des Bundes in den Jahren 1974 und 1975" , in Zusammenhalt mit Art. III Abs. 4, wonach der Art. II mit 1. Jänner 1974 in Kraft tritt und mit 31. Dezember 1975 seine Wirksamkeit verliert, ist jedoch zu schließen, daß es nicht darauf ankommt, für welches Jahr der Zuschuß geleistet wird, sondern wann er rechtens ausgezahlt wird, also darauf, welche Zweckzuschüsse der Bund in den Jahren 1974 und 1975 zu leisten hatte. Daher ist im Jahre 1974 der für das Jahr 1973 gebührende Zuschuß auf der Verrechnungsbasis 1973, und im Jahre 1975 der für das Jahr 1974 gebührende Zuschuß auf der Verrechnungsbasis 1974 zu leisten (vgl. hiezu VwGH vom 24. Feber 1977, Z 585/76) . Für diese Verrechnungsbasis-Jahre sind die durch Art. II der 2. KAG-Nov. geänderten Prozentsätze anzuwenden. Daß diese Auslegung zutrifft, wird durch das 2. Budgetüberschreitungsgesetz 1974, BGBl. 732, unterstützt. Für "unabweisliche Maßnahmen" wurde mit § 1 leg. cit. u. a. die Überschreitung des im Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1974, BGBl. 1, vorgesehenen Ausgabenansatzes 1/17424 "Aufwand nach dem Krankenanstaltengesetz" um S 131,400.000,-- genehmigt. In der Regierungsvorlage (1319 BlgNR, XIII. GP) wird der erforderliche Mehraufwand damit begründet, daß auf Grund des Art. II der 2. KAG-Nov. ein erhöhter Zweckzuschuß zu leisten ist. Aus den weiteren Ausführungen geht klar die Meinung der Bundesregierung (die offenbar vom Bundesfinanzgesetzgeber übernommen wurde - vgl. den Ausschußbericht, 1349 BlgNR, XIII. GP) , hervor, daß der erste durch die 2. KAG-Nov. bedingte erhöhte Zweckzuschuß (12,8 % statt bisher 10 % der amtlich festgesetzten Pflegegebühr, höchstens 24 % statt bisher 18,75 % des gesamten Betriebsabganges) im Jahre 1974 zu leisten war.

Die gesetzliche Verpflichtung des Bundes zur Gewährung von Zweckzuschüssen i. S. der §§ 12 und 13 F-VG 1948 und §§ 57 ff. KAG ist öffentlichrechtlicher Natur. Eine besondere Zuständigkeit der Gerichte ist nicht normiert. Zur Geltendmachung des der Leistungsverpflichtung des Bundes entsprechenden vermögensrechtlichen Anspruches kann daher der ordentliche Rechtsweg nicht beschritten werden. Es besteht aber keine positive Rechtsnorm, wonach über solche Ansprüche im Verwaltungsweg zu entscheiden wäre (Slg. 3736/1960 und 4818/1964) . Da also der gegen den Bund gerichtete vermögensrechtliche Anspruch weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist, ist die Zuständigkeit des VfGH gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 137, Art. 137 B-VG} gegeben.

Das VerfGG 1953 enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Zulässigkeit einer Aufrechnungseinrede. Nach {Verfassungsgerichtshofgesetz § 35, § 35 Abs. 1 VerfGG} sind aber, soweit dieses Gesetz keine anderen Bestimmungen enthält, die Bestimmungen der ZPO anzuwenden, also auch jene über die erwähnte Einrede. Die ZPO läßt - wie sich aus den §§ 391 Abs. 3 und 411 ergibt - diese Einrede zu. Der VfGH hat mit Erk. Slg. 5732/1968, 6198/1970 und 7003/1973 ausgeführt, aus Art. 137 B-VG ergebe sich, daß eine bestrittene Forderung, über die die zuständige Behörde noch nicht entschieden hat, jedenfalls dann nicht als anrechenbare Gegenforderung angesehen werden kann, wenn sie entweder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen oder über sie durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden ist, was also dem VfGH die Zuständigkeit, über eine Gegenforderung zu entscheiden, insbesondere dann fehle, wenn sich der Anspruch nicht gegen eine im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 137, Art. 137 B-VG} genannte Partei richtet. Im vorliegenden Fall richtet sich die Forderung auf Rückzahlung von zu Unrecht geleisteten Beträgen gegen eine Gemeinde (die Stadt Linz) . Bei diesen Beträgen handelt es sich um solche, die vom Bund zwar unter dem Titel "Zweckzuschüsse nach § 57 KAG" geleistet wurden, diese Leistungen seien aber - wie der Bund nunmehr meint - zu Unrecht von ihm erbracht worden. Wie sich aus dem Vorgesagten ergibt, fällt es in die Zuständigkeit des VfGH, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein derartiger Zweckzuschuß gebührt. Der VfGH ist daher auch zuständig, über den gegen eine Gemeinde gerichteten Anspruch auf Rückforderung solcher Zweckzuschüsse zu entscheiden. Die Aufrechnungseinrede ist zulässig.

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