A3/77 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der VfGH für den Bereich des Verwaltungsstrafrechts in mehreren Erkenntnissen eine Verpflichtung der Behörde zur Erstattung des Strafbetrages samt Verfahrenskosten nach Aufhebung des Strafbescheides durch den VwGH aus der in § 50 VwGG 1952, § 63 VwGG 1965 ausgesprochenen Pflicht der Behörde abgeleitet, mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den entsprechenden Rechtszustand herzustellen (Slg. 5001 und 5079/1965 und die dort genannte Vorjudikatur) . Er hat dabei angenommen, daß die Aufhebung des Bescheides der durch den aufgehobenen rechtskräftigen Akt verursachten Vermögensverschiebung die rechtliche Deckung entziehe.
Im Bereich des gerichtlichen Strafrechts ist die Rechtslage jedoch anders. Nach § 1 des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes BGBl. 270/1969 (StEG) hat nämlich der Bund nach Maßgabe dieses Gesetzes die durch eine strafgerichtliche Verurteilung entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile dem Geschädigten auf dessen Verlangen in Geld zu ersetzen. Zur Entscheidung über die Rechtsstreitigkeiten, die einen solchen Ersatzanspruch betreffen, sind die in {Strafrechtliches Entschädigungsgesetz § 8, § 8 StEG} näher bezeichneten ordentlichen Gerichte zuständig. Auf welchen Titel der Anspruch unter dem Blickwinkel zivilrechtlicher Kategorien gestützt werden könnte, ist insoweit bedeutungslos.
Daß die Leistung einer Geldstrafe einen vermögensrechtlichen Nachteil ({Strafrechtliches Entschädigungsgesetz § 1, § 1 StEG}) darstellt, steht außer Zweifel. Nichts rechtfertigt den Schluß, daß Nachteile, die in natura durch schlichte Rückgabe des Geleisteten beseitigt werden können, vom Geltungsbereich des StEG ausgenommen sein sollten. Wenngleich seine Bestimmungen in erster Linie Fällen der Haft gelten und der Natur der Sache nach in der Regel nicht Wiederherstellung, sondern bloß Ersatz für die erlittenen Nachteile in Betracht kommt, handelt es sich doch schon nach den Anspruchsvoraussetzungen (etwa dem mangelnden Verschuldenserfordernis) nicht um einen Schadenersatz im üblichen - auch der Amtshaftung zugrundeliegenden - Sinn, sondern um eine umfassende Ausgleichsleistung eigener Art. Eine Ausklammerung von bereicherungsrechtlich zu rechtfertigenden Ansprüchen widerspräche dem mit der Absicht des Gesetzgebers übereinstimmenden Wortlaut des Gesetzes. Danach sind schlechthin alle (vermögensrechtlichen) Nachteile einer Verurteilung und daher etwa im Falle einer Geldstrafe auch ohne Rücksicht darauf, ob sie entrichtet wurde oder eine Anrechnung der Vorhaft erfolgte, nach Maßgabe seiner Bestimmungen ersatzfähig. Auch wenn Geldstrafen im allgemeinen ohne Prüfung weiterer Voraussetzungen nach Aufhebung des Urteils formlos zurückgezahlt werden sollten, schließt dies die Maßgeblichkeit des StEG und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in Rechtsstreitigkeit darüber nicht aus.