V27/77 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Dem Antrag, den letzten Satz des § 569 Abs. 1 der Verordnung des BM für Justiz vom 9. Mai 1951, über die Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz, BGBl. 264, als gesetzwidrig aufzuheben, wird keine Folge gegeben.
Soweit der Antrag zulässig ist, erweist er sich als nicht begründet.
Der letzte Satz des {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} widerspricht dem {Exekutionsordnung § 349, § 349 Exekutionsordnung} nicht und findet im Gesetz insgesamt ausreichend Deckung.
1. Rechtsprechung und Literatur hatten früher die Kosten der Verwahrung zumindest für eine angemessene Dauer als Kosten der Exekution i. S. des {Exekutionsordnung § 74, § 74 EO} angesehen (Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, MietSlg. 15.684, 16.708, 20.761; Heller- Berger-Stix, Kommentar zur Exekutionsordnung I 747) . In jüngerer Zeit hat das antragstellende Gericht diese Auffassung jedoch aufgegeben und ausgesprochen, die Verwahrung der weggeschafften Fahrnisse gehöre nicht mehr zum Exekutionsverfahren, so daß der betreibende Gläubiger für diese Kosten nicht haftbar sei und allenfalls dennoch getragene Kosten nur im Rechtsweg - nach {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1042, § 1042 ABGB} - ersetzt verlangen könne (MietSlg. 22.689, 23.740, 24.630) .
Im bekämpften Schlußsatz des {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} sieht es nunmehr eine Maßnahme zur Erleichterung oder Ermöglichung der Verwahrung, die auf die Dauer des Exekutionsverfahrens auch dann keinen Einfluß habe, wenn die Gegenstände durch den Vollstrecker eingelagert würden. Der vorliegende Antrag hält daran offenbar fest, sieht aber auch diesen Inhalt als durch das Gesetz nicht mehr gedeckt an.
2. Der VfGH tritt der Auffassung des antragstellenden Gerichtes über die Haftung des betreibenden Gläubigers für die Kosten einer nach {Exekutionsordnung § 349, § 349 EO} erfolgten Verwahrung und über die Funktion des {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} grundsätzlich bei. Er gelangt jedoch bei Auslegung der bekämpften Verordnungsstelle zu anderen Schlußfolgerungen und vermag im Ergebnis die geäußerten Bedenken nicht zu teilen.
a) Gemäß {Exekutionsordnung § 349, § 349 Abs. 2 EO} sind die wegzuschaffenden Sachen unter den dort genannten Umständen auf Kosten des Verpflichteten durch das Vollstreckungsorgan in Verwahrung zu bringen und für dessen Rechnung zu verkaufen, wenn er die Rückforderung verweigert oder mit der Berichtigung der Verwahrungskosten säumig ist. Eine Säumigkeit des Verpflichteten ist hier offenbar im Verhältnis zum Verwahrer unterstellt. Sie setzt deshalb eine schuldrechtliche Beziehung zu diesem mithin einen das Verwahrungsverhältnis begründenden Vertrag voraus (so auch OGH SZ 27/264) , den der Vollstrecker auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung für den Verpflichteten mit dem Verwahrer abzuschließen hat. Das Entgelt für die Verwahrung schuldet der Verpflichtete unmittelbar dem Verwahrer. Folglich können die Kosten der fortlaufenden Verwahrung in der Tat keine Kosten der Exekution sein.
Dieser Umstand muß nun aber auch bei Auslegung der bekämpften Bestimmung berücksichtigt werden. Wenn {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} davon spricht, daß "die Verwahrung" auf Kosten des betreibenden Gläubigers geschieht, kann damit also nicht das (auf Grund des bereits abgeschlossenen Verwahrungsvertrages) vom Verpflichteten geschuldete Entgelt für die Verwahrung gemeint sein, die sich an den Vollzug der Räumung anschließt. Nach dem Wegtransport der Sache hat das Gericht vor Eintritt einer allfälligen Säumigkeit des Verpflichteten ja keinen Anlaß zum Einschreiten und daher auch keine Möglichkeit, dem betreibenden Gläubiger Kosten aufzuerlegen. Es kann unter Verwahrung also nur jener - das Exekutionsverfahren (vorläufig) abschließende - Akt des "In-Verwahrung-Bringens" durch den Vollstrecker zu verstehen sein, der das Vertragsverhältnis zwischen Verpflichtetem und Verwahrer zustandekommen läßt.
Im Ergebnis trifft sich diese Überlegung mit dem Versuch der Gegenschrift, den ersten Teil des zweiten Satzes von {Exekutionsordnung § 349, § 349 Abs. 2 EO} wegen der Wendung "in Verwahrung bringen" als Regelung der endgültigen Kostentragung bloß für die Überstellung der Fahrnis zu deuten, für die der betreibende Gläubiger schon deshalb vorläufig aufzukommen habe, weil er nach Abs. 1 sogar die Arbeitskräfte und Transportmittel bereitzustellen hat: Der überstellungsvorgang ist nämlich erst abgeschlossen, wenn die Sachen entweder einer zur Übernahme befugten Person oder einem dazu bereiten Verwahrer übergeben wurden. Auch wenn daher die in Rede stehende Aussage des Abs. 2 statt auf den Zustand der nachfolgenden Verwahrung auf die Zeit bis zu deren Veranlassung bezogen würden, ließen sie Raum für eine Regelung der vorläufigen Kostentragung in Fällen, in denen der Verpflichtete die Kosten nicht sogleich erlegt. Das dem Verwahrer unmittelbar geschuldete Entgelt wäre auch nach dieser Betrachtungsweise von {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} nicht erfaßt.
Kosten für diese Übergabe laufen dann nicht auf, wenn die wegzuschaffenden Sachen von einer öffentlichen Einrichtung oder einem privaten Verwahrer ohne weiteres übernommen werden. Sie entstehen aber, wenn kein Verwahrer zur Entgegennahme ohne Barzahlung (Anzahlung oder Vorauszahlung) bereit ist und der Verpflichtete die erforderliche Zahlung nicht leistet. Unter solchen Umständen könnte der Vollstrecker die gebotene Verwahrung nicht veranlassen. Offenbar für diesen - im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten - Fall sieht die zu prüfende Verordnungsstelle die einstweilige Kostentragung durch den betreibenden Gläubiger zur Ermöglichung der Verwahrung vor.
b) Daß die Kosten der Exekution vorläufig der Gläubiger trägt, ist jedoch ein allgemeiner Grundsatz des Exekutionsrechtes.
{Exekutionsordnung § 78, § 78 EO} ordnet die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Parteien und damit auch jener ihres § 40 an, wonach jede Partei die durch ihre Prozeßhandlungen verursachten Kosten zunächst selbst zu bestreiten hat; gemäß {Exekutionsordnung § 74, § 74 EO} hat sodann der Verpflichtete dem betreibenden Gläubiger auf dessen Verlangen alle ihm verursachten, zur Rechtsverwirklichung notwendigen Kosten zu erstatten. Dieser beiden zivilgerichtlichen Verfahrensgesetzen gemeinsame Grundsatz bedeutet, daß der betreibende Gläubiger alle mit der Bewilligung und dem Vollzug der Exekution verbundenen Kosten vorzustrecken hat (Heller-Berger-Stix, I 689) und aus den dies für Einzelfälle aussprechenden Bestimmungen der §§ 129 Abs. 2, 259 Abs. 4 und 301 Abs. 6 und 366 Abs. 1 EO für andere Fälle nicht etwa ein Gegenschluß gezogen werden darf.
Handelt es sich also bei den von {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} erfaßten Kosten um Exekutionskosten, so findet die zu prüfende Verordnungsstelle in diesem Grundsatz Deckung.
c) Der VfGH sieht indessen keinen Anlaß zu zweifeln, daß das "In-Verwahrung-Bringen" von weggeschafften Sachen im Zuge einer Räumung Teil der Exekution ist. Wie schon die Regelung über die Bereitstellung von Beförderungsmitteln in {Exekutionsordnung § 349, § 349 Abs. 1 EO} zeigt, betrachtet das Gesetz die Wegschaffung der zu entfernenden Sachen nicht als ein den betreibenden Gläubiger nicht berührendes, außerhalb des Exekutionsverfahrens stehendes und daran bloß anschließendes Geschehen. Daß der betreibende Gläubiger nach Entfernung der Sachen aus dem zu räumenden Objekt an der Wegschaffung und allfälligen Verwahrung selbst nicht interessiert ist, rechtfertigt eine solche Annahme ebensowenig wie der Umstand, daß die Auswahl des Verwahrers - anders als die des Transportunternehmers - dem Vollstrecker und nicht dem betreibenden Gläubiger obliegt. Dem Gesetzgeber steht es frei, den betreibenden Gläubiger auch zur vorläufigen Kostentragung für Maßnahmen im Interesse des Verpflichteten heranzuziehen, wenn sie durch die Exekutionsführung nötig werden. Es ist geradezu auszuschließen, daß das Gesetz dem Gläubiger zwar die Bereitstellung von Transportmitteln zur Wegschaffung auferlegt, deren Ziel jedoch aus dem verfahrensrechtlichen Zusammenhang ausgeschieden haben sollte. Daß der Gläubiger damit zur Ermöglichung der Exekution etwas vorzustrecken hat, was unter anderen tatsächlichen Gegebenheiten - nämlich günstigeren Verwahrungsbedingungen - der Verpflichtete dem Verwahrer schulden würde, verschlägt nichts, weil die Durchführung der Exekution in mannigfacher Weise von den gegebenen Umständen abhängt.
Mit dieser Deutung stimmen auch die Erläuternden Bemerkungen der RV zum Gesetz über die Ergänzung des {Exekutionsordnung § 349, § 349 Abs. 1 EO} überein. Sie gehen davon aus, daß die dem betreibenden Gläubiger auferlegten Bereitstellungen den sonst zu leistenden Kostenvorschuß - gleichsam als schärferes Mittel - ersetzen sollen (29 BlgNR, 8. GP) . Die gleiche Grundhaltung geht im übrigen schon aus den Materialien zu den Zivilprozeßgesetzen (hg. v. Justizministerium, 1896, I 583) hervor.
Es mag zwar sein, daß die dort für die Räumung empfohlene analoge Anwendung des {Exekutionsordnung § 259, § 259 EO} über die Verwahrung gepfändeter Fahrnis wegen des andersartigen Zieles dieser Verwahrung nicht in jeder Hinsicht geboten ist. Soweit es aber bloß um die Bewirkung der gesetzmäßigen Verwahrung geht, muß der Gläubiger die Kosten aus allgemeinen Erwägungen ebenso vorstrecken wie dort (vgl. auch die Erwägungen bezüglich der Voraussetzung für die Durchführbarkeit der Räumung bei Heller-Berger-Stix, III 2497) . Nichts anderes spricht der letzte Satz des {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} aus.
Der Antrag, den letzten Satz des Punktes 152 Abs. 1 des Dienstbuches für Vollstrecker vom 7. Mai 1952, JABl. 10, als gesetzwidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.
Diese Stelle des Dienstbuches für Vollstrecker gibt den letzten Satz des {Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz § 569, § 569 Abs. 1 Geo} nur wörtlich wieder und erweist sich auch durch das Zitat des Paragraphen der Geo als bloßer Hinweis auf die Verordnung. Zieht man dazu noch in Betracht, daß es den Zweck des Dienstbuches als eines inneren Dienstbehelfes u. a. auch ist, dem Vollstrecker alle für ihn maßgeblichen Vorschriften übersichtlich an die Hand zu geben, dann ergibt sich daraus insgesamt, daß dem in Rede stehenden Satz kein eigener normativer Inhalt zukommt (vgl. auch ähnlich Slg. 6785/1972) . Zwar hat der VfGH im schon genannten Erk. Slg. 2954/1956 auch Bestimmungen des Dienstbuches über die Räumung im Erk. Slg. 6085/1969 solche über die Exekution auf Anmelden aufgehoben. Der Normcharakter des Erlasses ist indessen für jede einzelne Aussage gesondert zu prüfen und im vorliegenden Zusammenhang aus den genannten Gründen zu verneinen.