G23/77 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
§ 39 Abs. 4 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes, BGBl. 133/1967, i. d. F. BGBl. 284/1971, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Der Personalsenat beim OGH setzt sich aus Richtern zusammen. Er ist bei der im {Bundes-Personalvertretungsgesetz § 39, § 39 Abs. 4 PVG} vorgesehenen Namhaftmachung der richterlichen Mitglieder der Personalvertretungs-Aufsichtskommission (PVAK) auf dem Gebiete der Justizverwaltung tätig. Die gegenteilige Ansicht der PVAK, bei der erwähnten Tätigkeit des Personalsenates des OGH handle es sich nicht um Justizverwaltung, trifft nicht zu: Unter Justizverwaltung versteht {Bundes-Verfassungsgesetz Art 87, Art. 87 Abs. 2 B-VG} eine durch Richter ausgeübte, ihrem Inhalt nach aber nicht der Rechtsprechung zuzuzählende Tätigkeit, die - wie der VfGH im Erk. Slg. 7376/1974 ( S. 113 f.) dargetan hat - zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat; sei es, daß sie dem Funktionieren der Gerichtsbarkeit dient, durch gerichtliche Entscheidungen bedingte Vorkehrungen anderer Organe erleichtern soll oder auf eine andere Art mit richterlicher Tätigkeit in Zusammenhang steht. Die Frage, ob eine bestimmte Verwaltungstätigkeit zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat, kann nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf die richterlichen Funktionen eines bestimmten Gerichtes beantwortet werden, so daß sie in Ansehung verschiedener Gerichte unterschiedlich zu beantworten sein mag. Im zit. Erk. kam der VfGH zum Ergebnis, daß die sowohl dem VfGH als auch dem VwGH durch {Rundfunkgesetz § 25, § 25 Abs. 3 RFG} in der ursprünglichen Fassung BGBl. 397/1974 übertragene, nicht der Rechtsprechung im materiellen Sinn zuzuzählende Aufgabe, der Bundesregierung Vorschläge für die Bestellung von richterlichen Mitgliedern der Kommission zur Wahrung des RFG zu erstatten, in Ansehung dieser Gerichtshöfe keine Justizverwaltungsangelegenheit sei, da diese Tätigkeit zur Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts keinen wie immer gearteten Bezug habe. Nicht dasselbe gilt dagegen für die Zivilgerichte und Strafgerichte. In Anknüpfung an schon vor dem Inkrafttreten des B-VG in Geltung gestandene Regelungen (z. B. Grundverkehrsgesetz StGBl. 583/1919, §§ 11 und 14) hat der Gesetzgeber in der Folge mehrfach Vorschriften erlassen, die im Rahmen der Ziviljustiz und Strafjustiz tätigen richterlichen Funktionären die Aufgabe übertrugen, Richter als Mitglieder in andere, kollegial organisierte Behörden zu entsenden, für eine solche Funktion zu nominieren oder zu präsentieren. Dabei ist der Gesetzgeber - ausdrücklich oder stillschweigend - stets davon ausgegangen, daß diese Regelungen die Entsendung, Nomination oder Präsentation ausschließlich von Richtern zum Gegenstand haben, die im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit und Strafgerichtsbarkeit tätig sind.
Unter diesen Umständen aber haben die Entsendungsbefugnisse, Nominationsbefugnisse oder Präsentationsbefugnisse - und das gilt vollinhaltlich auch für die im § 39 Abs. 4 PVG festgelegte Aufgabe des Personalsenates beim OGH - sehr wohl einen Bezug zur Zivilgerichtsbarkeit und Strafgerichtsbarkeit. Es ist nämlich nicht zu übersehen, daß die Tätigkeit eines Richters in einer zusätzlichen Funktion unter der genannten Voraussetzung deutliche Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb der Gerichte haben kann. Ist aber die dem Personalsenat beim OGH durch {Bundes-Personalvertretungsgesetz § 39, § 39 Abs. 4 PVG} übertragene Aufgabe, der Bundesregierung Richter zur Vorschlagserstattung an den Bundespräsidenten namhaft zu machen, eine solche der Justizverwaltung, dann steht außer Zweifel, daß die Mitglieder des Personalsenates gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 87, Art. 87 Abs. 2 B-VG} hiebei in Ausübung ihres richterlichen Amtes tätig sind, der Personalsenat sohin als Gericht zu qualifizieren ist. Die Bundesregierung ist bei Erstattung ihrer Vorschläge an den Bundespräsidenten an die vom Personalsenat beim OGH gemachten Vorschläge gebunden. An der Bestellung der richterlichen Mitglieder der PVAK haben sohin Verwaltungsorgane (der Bundespräsident und die Bundesregierung) und ein Gericht (der Personalsenat beim OGH) mitzuwirken. Dies widerspricht dem im Art. 94 B-VG normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung, der eine Regelung ausschließt, wonach zum Zustandekommen eines normativen Aktes sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden beizutragen haben. Die PVAK ist der Meinung, daß die erwähnte Betrauung des Personalsenates beim OGH mit der Erstattung von die Bundesregierung bindenden Vorschlägen durch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 67, Art. 67 Abs. 1 letzter Satz B-VG} verfassungsgesetzlich gedeckt sei. Der VfGH pflichtet dieser Ansicht nicht bei: Die von der PVAK erwähnte Ermächtigung des letzten Satzes im Art. 67 Abs. 1 B-VG findet an dem im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 94, Art. 94 B-VG} normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung ihre Grenze. Die Gerichte können sohin nicht den "anderen Stellen" i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 67, Art. 67 Abs. 1 B-VG} zugezählt werden. Es genügt, zur näheren Begründung auf das Erk. Slg. 7376/1974 hinzuweisen.
Gemäß {Bundes-Personalvertretungsgesetz § 41, § 41 Abs. 1 PVG} hat die PVAK als erste und oberste Instanz von Amts wegen oder auf Antrag desjenigen, der eine Verletzung seiner Rechte behauptet, über die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Organe der Personalvertretung zu entscheiden. Gemäß {Bundes-Personalvertretungsgesetz § 41, § 41 Abs. 2 PVG} hat die PVAK dem PVG widersprechende Beschlüsse von Personalvertretungsorganen aufzuheben, im übrigen jedenfalls die Gesetzmäßigkeit oder Gesetzwidrigkeit der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Geschäftsführung festzustellen. Nach § 41 Abs. 3 finden die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 auf Bescheide und Verordnungen der Organe der Personalvertretung keine Anwendung. Diese Bestimmungen haben nicht die Rechtsverhältnisse von Bundesbediensteten zu ihrem Dienstgeber (dem Bund) zum Inhalt, sondern ihre Rechtsbeziehungen zu der Personalvertretung. Der Gesetzgeber geht - wie sich aus dem Zusammenhalt der Abs. 1 und 3 des {Bundes-Personalvertretungsgesetz § 41, § 41 PVG} ergibt - davon aus, daß die Rechtssphäre des einzelnen Bundesbediensteten durch das Verhalten von Personalvertretungsorganen auch dann berührt wird, wenn dieses nicht in der Erlassung eines Bescheides, sondern etwa - wie hier - in der Erstattung einer für den Dienstgeber rechtlich unverbindlichen Stellungnahme oder in der Zustimmung zur disziplinären Verfolgung eines ihrer Mitglieder besteht. Das Gesetz macht hiebei keinen Unterschied, ob der Beschluß des Personalvertretungsorganes über Antrag oder von Amts wegen gefaßt wird. Es ist sohin auch möglich, daß der einzelne Bedienstete durch einen derartigen Beschluß in seinen Rechten verletzt wird. Das hat zur Folge, daß auch durch eine Entscheidung der PVAK, durch die ein solcher Beschluß aufgehoben oder bestätigt wird, Rechte des Bediensteten verletzt werden können. Nur darauf aber kommt es für die Begründung der Beschwerdelegitimation an und nicht - wie die PVAK meint - darauf, ob der von der Entscheidung der PVAK betroffene Bedienstete ein subjektives Recht auf ihr Einschreiten hat.