JudikaturVfGH

G28/76 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
15. Juni 1977

Der § 12 a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, eingefügt durch das Bundesgesetz BGBl. 418/1974, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Nach § 12 a FLAG ist die für ein Kind bezogene Familienbeihilfe bei der Bemessung seines Unterhaltsanspruches dann - aber auch nur dann - bloß in der Hälfte des aus § 8 Abs. 2 leg. cit. sich ergebenden Betrages zu berücksichtigen, wenn sie von einer anderen Person als dem Unterhaltspflichtigen bezogen wird. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend die nachmalige FLAG-Nov. BGBl. 418/1974 (1202 BlgNR 12. GP) führen dazu aus: "Nach der Rechtsprechung der Gerichte wird bei der Neubemessung des Unterhaltsanspruches eines Kindes gegenüber einem Unterhaltspflichtigen, der selbst nicht die Familienbeihilfe für das Kind bezieht, die von einer anderen Person für dieses Kind bezogene Familienbeihilfe zur Gänze auf den Unterhaltsanspruch angerechnet. In diesen Fällen bringt die Zahlung der Familienbeihilfe und jede Erhöhung der Familienbeihilfe nur einen Vorteil für den Unterhaltspflichtigen, nicht aber für das Kind bzw. für die Person, die die Familienbeihilfe - meist aus dem Titel der Haushaltszugehörigkeit - für dieses Kind bezieht. Nun ist aber zu berücksichtigen, daß die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, in der Regel die ganze Last der Pflege und Erziehung trägt. Aus diesem Grunde hat diese Person gemäß § 11 auch einen vorrangigen Anspruch auf Familienbeihilfe. Die vorgeschlagene Regelung sieht dementsprechend vor, daß bei der Bemessung des Unterhaltsanspruches eines Kindes die von einer anderen Person als dem Unterhaltspflichtigen bezogene Familienbeihilfe nur in Höhe der Hälfte des Betrages zu berücksichtigen ist, der als Familienbeihilfe für ein Kind gewährt wird." Im Gegensatz zum antragstellenden Gericht ist der VfGH der Meinung, daß der Gesetzgeber durchaus davon ausgehen durfte, "daß die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, in der Regel die ganze Last der Pflege und Erziehung trägt" und daß deshalb die getroffene Sonderregelung (Berücksichtigung nur der Hälfte der Familienbeihilfe bei Bemessung des Unterhaltsanspruches) für den Fall durchaus sachgerecht ist, daß das Kind nicht zum Haushalt des Unterhaltspflichtigen gehört. § 12 a FLAG stellt nun aber nicht auf die Haushaltszugehörigkeit des Kindes, sondern allein darauf ab, ob die Familienbeihilfe vom Unterhaltspflichtigen oder von einer anderen Person bezogen wird. Das aber hat, wie das antragstellende Gericht - insofern zu Recht - ausführt, eine Ungleichbehandlung jener Unterhaltspflichtigen, deren Haushalt das Kind nicht angehört, dergestalt zu Folge, als a) der Unterhaltspflichtige, der die Familienbeihilfe selbst bezieht, im vollen Ausmaß der Beihilfe entlastet wird, während b) der Unterhaltspflichtige, der die Familienbeihilfe nicht selbst bezieht, nur im halben Ausmaß der Beihilfe entlastet wird.

Diese Ungleichbehandlung wird auch von der Bundesregierung nicht in Abrede gestellt. Sie meint jedoch, daß diese Regelung sachlich gerechtfertigt sei. Die durch den Verzicht des Anspruchsberechtigten, zu dessen Haushalt das Kind gehört, bewirkte Besserstellung des Unterhaltspflichtigen bedeutet aber gleichzeitig auch eine Schlechterstellung des nicht zu seinem Haushalt gehörigen Kindes gegenüber jenem Kind, für das der Anspruchsberechtigte, dessen Haushalt es angehört, die Familienbeihilfe selbst bezieht. Für diese, mit der unterschiedlichen Behandlung der Unterhaltspflichtigen notwendig verbundene unterschiedliche Behandlung der Kinder - d. h.

also für die unterschiedliche Bemessung ihres Unterhaltsanspruchs - aber vermag die Parteiendisposition nach Ansicht des VfGH keine sachliche Rechtfertigung zu bilden. Weil die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Familienbeihilfe gemäß § 2 FLAG "für" das Kind gewährt wird, kann eine gesetzliche Regelung, wonach der den Kindern daraus zuwendbare Vorteil verschiedenes Ausmaß hat, nur durch Umstände gerechtfertigt werden, die einen angemessenen Bezug zur Situation des Kindes aufweisen. Das aber trifft für eine Parteiendisposition nach § 11 FLAG nicht zu.

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