JudikaturVfGH

B75/76 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
11. Juni 1977

Nach § 138 BAO haben die Abgabepflichtigen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln auf Verlangen der Abgabenbehörde den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen oder - sofern ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden kann - glaubhaft zu machen. Auch wenn ihnen damit nicht etwa eine Beweislast in dem Sinn auferlegt wird, daß Angaben oder Behauptungen, deren Richtigkeit er nicht nachzuweisen vermag, von vornherein als unzutreffend zu werten wären (Reeger - Stoll, Die Bundesabgabenordnung, 5. Aufl., S 209; vgl. auch Slg. 7492/1975) , liegt es doch nahe, daß die mangelnde Mitwirkung des Pflichtigen in solchen Fällen umso eher zu seinen Lasten ausschlägt, je weiter sich seine Behauptungen vom typischen Lebenssachverhalt entfernen. Sofern die Behörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln kann - insbesondere, wenn der Abgabenpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Erklärungen zu geben vermag oder weitere Auskünfte über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind - , so hat sie diese zu schätzen ({Bundesabgabenordnung § 184, § 184 BAO}) . Im vorliegenden Fall steht außer Streit, daß der Bf. im Jahre 1972 nahezu 5 Millionen S Bargeld aus einer Liegenschaftsveräußerung erlangt hat. Da solche Beträge nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht innerhalb weniger Monate ohne Erlangung eines bleibenden Gegenwertes verbraucht werden, war das Finanzamt verpflichtet, zur Beseitigung von Zweifeln die nähere Erläuterung und Glaubhaftmachung dieser Behauptung zu verlange. Seiner Auffassung, daß diesem Begehren durch den bloßen Hinweis auf ein Verjubeln und Verspielen des Geldes nicht genüge getan wurde und detaillierte Angaben über die behaupteten Verwendungen erforderlich gewesen wären, kann der VfGH nicht entgegentreten. Sofern der Bf. eine Glaubhaftmachung seiner Behauptung, das Geld mit Frauen verbraucht, beim Glücksspiel verloren und verschwendet zu haben, überhaupt für unmöglich hält, läßt er offenkundig Wortlaut und Sinn des {Bundesabgabenordnung § 138, § 138 BAO} außer acht. Nach dieser Vorschrift kann u. U. zwar vom Beweis, nicht aber von der Glaubhaftmachung abgesehen werden. Ob und auf welche Weise die vom Bf. zu gebenden Erläuterungen einer weiteren Nachprüfung auf ihre Wahrscheinlichkeit offengestanden wären, hätte sich zu dem erst beurteilen lassen, wenn der Bf. den Versuch näherer Angaben unternommen hätte. Die Annahme der bel. Beh. ist daher jedenfalls vertretbar. Da die Behörde davon ausgehen durfte, daß der Bf. im Besteuerungszeitraum Bargeld in der Höhe von etwa 4 Millionen S zur Verfügung hatte, so widerspricht es der Lebenserfahrung nicht, wenn sie angesichts seiner mangelnden Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes auch angenommen hat, daß er diesen Betrag zinsbringend angelegt hat. Durch die Glaubhaftmachung einer anderweitigen Verwendung hätte der Bf. diese Annahmen der bel. Beh. entkräften können.

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