JudikaturVfGH

B340/75 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
26. März 1977

Die Bauordnung für Wien bestimmt im § 9 Abs. 1, daß die Baulinie ( d. i. gemäß § 5 Abs. 2 lit. a leg. cit. die Grenze zwischen einem Baugrund und öffentlichen Verkehrsflächen) das Recht gibt, den anliegenden Baugrund nach Maßgabe der Bestimmungen der BauO zu bebauen, an ihr Ausfahrten, Ausgänge, Fenster und vor ihr Anschlüsse an die in den Verkehrsflächen liegenden Leitungen sowie bestimmte Vorbauten herzustellen, wobei bezüglich der Ausfahrten im Bebauungsplan bestimmte Beschränkungen vorgesehen werden können.

Diese Rechte werden in der Lehre Frontrechte genannt. Sie sind subjektive öffentliche Rechte. Das Recht, gegen eine öffentliche Verkehrsfläche Fenster herzustellen, beschränkt sich nicht darauf, an der Grundgrenze Fensteröffnungen anlegen zu können, sondern erstreckt sich darauf, von der vorgelagerten Verkehrsfläche Licht und Luft zu beziehen (vgl. VwGH Slg. 7318 A/1968) . Ebenso beschränkt sich das Recht, gegen eine öffentliche Verkehrsfläche einen Ausgang herzustellen, nicht darauf, an der Grundgrenze eine Ausgangsöffnung anlegen zu können, sondern erstreckt sich auch darauf, diese Ausgangsöffnung als Ausgang zur vorgelagerten Verkehrsfläche hin benützen zu können. Es handelt sich dabei nicht um ein Recht auf Benützung der öffentlichen Verkehrsfläche, sondern nur um das Recht darauf, daß die Benützung eines Ausganges nicht von der öffentlichen Verkehrsfläche aus in anderer Weise als durch die Grenzen des bestimmungsgemäßen Gemeingebrauches behindert wird. Soweit durch die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 in subjektive öffentliche Frontrechte der Anrainer eingegriffen werden kann, kommt den Anrainern im Verfahren über den Antrag auf Erteilung einer solchen Erlaubnis Parteistellung i. S. des § 8 AVG 1950 zu. In einem solchen Fall ist die Parteistellung auch nicht von dem möglichen Inhalt des später erlassenen Bescheides - etwa Freilassung einer bestimmten Breite der Verkehrsfläche - abhängig (vgl. VwGH Slg. 170 A/1947, VfGH Slg. 5902/1969 und 6418/1971) . Dem steht § 2 Abs. 2 GebrauchsabgabeG nicht entgegen.

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