JudikaturVfGH

G14/75 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
01. Dezember 1976

Dem Antrag der Niederösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung des Abs. 3 des § 3 des Landarbeitsgesetzes (Fassung BGBl. 782/1974) wird keine Folge gegeben.

Die in {Landarbeitsgesetz 1984 § 3, § 3 Abs. 3 LandarbeitsG} (im folgenden LAG) angeführten Arbeitsschutz-Vorschriften gelten nach dieser Gesetzesstelle für alle im vorangehenden Abs. 2 genannten familieneigenen Arbeitskräfte. Der VfGH ist der Meinung, daß - ungeachtet des in § 3 Abs. 2 LAG enthaltenen Ausdruckes "hauptberuflich beschäftigt" - diese Vorschriften für familieneigene Arbeitskräfte unabhängig davon gelten, ob zwischen ihnen und dem Betriebsinhaber ein Arbeitsvertragsverhältnis besteht oder nicht.

Der in {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG} enthaltene Kompetenztatbestand "Arbeitsrecht, soweit es nicht unter Art. 12 fällt" hat durch die B-VG-Nov. 1974 einen anderen, gegenüber der bisherigen Regelung weiteren Inhalt bekommen. Weder nach der früheren noch nach der derzeit geltenden Regelung ist der Sinn der erwähnten Wendung definiert. Er ist sohin nach dem Willen des historischen Gesetzgebers und nach dem Stand der Rechtsordnung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Kompetenzbestimmung zu ermitteln. Aus diesem ist abzuleiten, daß der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1974 den Begriff "Arbeitsrecht" derart verstanden hat, daß dieser Ausdruck auch den "Arbeiterschutz und Angestelltenschutz" ("Arbeitnehmerschutz" , "Arbeitsschutz") erfaßt.

Der Kompetenztatbestand "Arbeitsrecht" ermächtigt, Regelungen zu treffen, die auf den Arbeitsschutz aller Personen abzielen, die im Betrieb unselbständige Arbeit leisten, unabhängig davon, ob und in welchem Vertragsverhältnis sie zum Betriebsinhaber stehen. Dies gilt auch für den Arbeitsschutz von Personen, die Familienangehörige des Betriebsinhabers sind und zu diesem in keinem Arbeitsvertragsverhältnis stehen.

Die hier in Betracht kommenden Kompetenztatbestände des Art. 10 Abs. 1 Z 11 und des Art. 12 Abs. 1 Z 6 B-VG stehen zueinander im Verhältnis der Komplementarität. Der Verfassungsgesetzgeber hat der im Art. 12 Abs. 1 Z 6 B-VG enthaltenen Wendung "Arbeiterschutz und Angestelltenschutz" den weiteren Sinn gegeben, den er (neben anderen Bedeutungen) den im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG} enthaltenen Wort "Arbeitsrecht" unterstellt hat, nämlich auf den Arbeitsschutz von im Betrieb - unter welchen rechtlichen Bedingungen immer - beschäftigten Familienangehörigen. Der Kompetenztatbestand "Arbeiterschutz und Angestelltenschutz" nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 6 B-VG} erfaßt also alle Maßnahmen, die dem Arbeitsschutz aller Personen dienen, die in Betrieben der Landwirtschaft und Forstwirtschaft - auch außerhalb eines Arbeitsvertragsverhältnisses - beschäftigt sind (unter diesen Kompetenztatbestand fällt nur nicht der Arbeitsschutz für Dienstnehmer des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände - vgl. Erk. Slg. 7883/1976; derartige Personen werden aber vom angefochtenen {Landarbeitsgesetz 1984 § 3, § 3 Abs. 3 LAG} nicht erfaßt) .

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