JudikaturVfGH

B266/74 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
02. Oktober 1976

Denkmögliche Anwendung des § 2 Abs. 1 Z 1 Erbschaftssteuergesetz 1955.

Aus dem Zusammenhalt der Abs. 1 und 2 im {Bundesabgabenordnung § 116, § 116 BAO} geht hervor, daß eine Bindung der Abgabenbehörde an Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, insoweit besteht, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Es ist nun, wenn man den Wortlaut der Z 5 und 6 in {Außerstreitgesetz § 2, § 2 Abs. 2 Außerstreitgesetz} in Betracht zieht, keineswegs denkunmöglich, eine solche Bindung an gerichtliche Entscheidungen, die im außerstreitigen Verfahren getroffen wurden, zu bejahen. Da gemäß § 174 Abs. 2 Z 2 AußerstreitG die Einantwortungsurkunde ( insbesondere) den Namen des Erben sowie den Rechtstitel zur Erbschaft zu enthalten hat, die an die Bf. erlassene Einantwortungsurkunde aber die Bf. nicht nur ausdrücklich als Alleinerbin bezeichnet, sondern auch als Rechtstitel das erblasserische Testament anführt, ist auch die weitere Annahme der bel. Beh. nicht denkunmöglich, daß darin eine sie (ohne Rücksicht auf die inhaltliche Richtigkeit) bindende Bestimmung des Erben durch das Gericht liegt. Ob diese Auffassung - insbes. im Hinblick auf die Vereinbarungen zwischen den testamentarisch berufenen Erben und der Bf. - allerdings rechtsrichtig ist, ist vom VfGH nicht zu entscheiden.

Der das Verhältnis zwischen Abgabenbehörde und Abgabepflichtigen beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es der Abgabenbehörde im Falle, daß die von ihr angenommene Erbschaftssteuerpflicht letztlich feststehen sollte, den {Bundesabgabenordnung § 200, § 200 Abs. 2 BAO} dahin anzuwenden, daß die vorläufigen Bescheide durch endgültige ersetzt werden, denen zufolge keine Vorschreibung einer Rechtsgeschäftsgebühr bzw. einer Grunderwerbsteuer erfolgt.

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