B98/75 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der VfGH hat wiederholt ausgesprochen, daß die Bindungswirkung des § 87 Abs. 2 VerfGG 1953 und des § 63 Abs. 1 VwGG 1965 nur insolange besteht, als sich die Rechtslage nicht verändert hat (vgl. Slg. 5659/1968, 5835/1968, 5969/1969, 6043/1969, 6548/1971) . Denn jeder Bescheid muß der Rechtslage entsprechen, die im Zeitpunkt seiner Erlassung gegeben ist. Im vorliegenden Fall hat sich nun die für die Bescheiderlassung maßgebende Rechtslage jedenfalls insofern rückwirkend geändert, als das BG BGBl. 774 a/1974 eine von der Rechtsanschauung des VwGH abweichende Anordnung getroffen hat. Ein Verstoß gegen {Bundes-Verfassungsgesetz Art 129, Art. 129 B-VG} und den Gewaltentrennungsgrundsatz liegt darin nicht und auch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird dadurch nicht verletzt.
Der VfGH hält an seiner Rechtsprechung fest, daß den Schutz des Art. 5 StGG nur Privatrechte genießen. Ansprüche öffentlichrechtlicher Natur fallen nicht unter die Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG. Daran hat auch Art. 1 des 1. ZPMRK nichts geändert.
Diese Verfassungsbestimmungen beziehen sich daher nicht auf öffentlichrechtliche Besoldungsansprüche von Beamten (vgl. Slg. 6648/1972 und 7267/1974) .
Es ist nicht entscheidend, ob die Bestimmung des Art. I des BG BGBl. 774 a/1974 eine authentische Interpretation i. S. der Lehre bedeutet; denn jedenfalls handelt es sich um eine bundesgesetzliche Bestimmung, deren Inhalt darin besteht, daß angeordnet wird, daß die darin genannten Zulagen, soferne nicht gesetzlich ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird, nicht von {Pensionsgesetz 1965 § 41, § 41 Abs. 2 Pensionsgesetz 1965} erfaßt werden, daß also durch sie der ruhegenußfähige Monatsbezug des {Pensionsgesetz 1965 § 5, § 5 Abs. 1 PG 1965} nicht geändert wird oder - anders ausgedrückt - daß sie in die Ruhegenußbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen sind.
Durch die Wortfolge, daß {Pensionsgesetz 1965 § 41, § 41 Abs. 2 PG 1965} angesichts der darin enthaltenen Worte" die Höhe "gemäß § 8 ABGB" authentisch dahin ausgelegt "werden, wird der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht, daß dies jeweils von dem Zeitpunkt an gelten soll, in dem die betreffende Zulage" neu eingeführt "worden ist. Dieser Wille des Gesetzgebers ergibt sich deutlich aus dem Bericht des Finanzausschusses und Budgetausschusses des Nationalrates (1415 Beilagen NR XIII. GP) , worin u. a. ausgeführt wird, daß nach {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 8, § 8 ABGB}, der eine über dem Bereich des Privatrechts hinausgehende Bedeutung hat, eine authentische Interpretation insoweit Rückwirkung habe, daß sie auf alle Rechtsfälle anzuwenden ist, die nach dem Inkrafttreten des auszulegenden Gesetzes zur Entscheidung gelangen; die Rückwirkung reiche hiebei sinngemäß bis zu dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des ausgelegten Gesetzes zurück.
Der VfGH hat keine Bedenken, daß die Regelung des genannten Art. I gegen das Gleichheitsgebot verstößt. Er hat bereits in seinem Erk. Slg. 7040/1973 in Bezug auf die damals von der bel. Beh. gewählte Auslegung des § 30 Gehaltsgesetz 1956, die mit dem Inhalt des nunmehr in Kraft stehenden Art. I des BG BGBl. 774 a/1974 übereinstimmte, ausgeführt, daß es dem Gesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht verwehrt sei, von einem einmal gewählten Ordnungsprinzip abzugehen, es komme vielmehr nur darauf an, ob die Regelung in sich sachlich begründbar sei. Es sei aber offenkundig, daß eine Regelung, die zwischen Beamten des Dienststandes und solchen des Ruhestandes differenziert, mit dem Gleichheitsgebot grundsätzlich vereinbar ist, weil nicht Gleiches, sondern Ungleiches geregelt wird. Der VfGH kam zum Schluß, daß sich aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes gegen eine solche Auslegung des § 30 GG 1956 keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung ergeben. Der VfGH hält an dieser Rechtsprechung fest. Die Bf. bringen nun vor, daß durch die Regelung des Art. I des BG BGBl. 774 a/1974 eine Differenzierung innerhalb der Ruhestandsbeamten bewirkt werde. Da jedoch im österreichischen Pensionsrecht der allgemeine Grundsatz gilt, daß für die Bemessung des Ruhegenusses jene dienstrechtliche und besoldungsrechtliche Stellung maßgebend ist, die der Beamte im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienststand erreichte, und dies insbesondere für die ruhegenußfähigen Zulagen gilt (§ 5 Abs. 1 lit. b PG 1965) , trifft diese Behauptung nicht zu, weil nur jenen Beamten des Ruhestandes die Verwaltungsdienstzulage in die Bemessung ihres Ruhegenusses nicht einbezogen wird, bei denen im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand ihre besoldungsrechtliche Stellung eben eine solche ohne Verwaltungsdienstzulage war. Die Bf. lehnen allerdings den Gedanken, daß die Berücksichtigung einer Zulage für die Pension davon abhängen soll, ob die Zulage schon im Zeitpunkt der Pensionierung bestand, ab, weil es nur darauf ankommen könne, ob die Tatsache, die bei dem später pensionierten Beamten wegen seiner Aktivität für den Bezug der Zulage und damit im Ruhestand für die Berücksichtigung in der Pension maßgebend waren, auch bei dem früher pensionierten Beamten gegeben waren; die Verwaltungsdienstzulage sei nun materiell eine reine Gehaltserhöhung und nur davon abhängig, ob der Beamte der allgemeinen Verwaltung und welcher Dienstklasse er angehört. Dies mag zutreffen, tut aber nicht dar, daß die in Rede stehende Regelung gegen das Gleichheitsgebot verstößt. Der Gesetzgeber wird durch das Gleichheitsgebot nicht verpflichtet, eine Pensionsautomatik i. S. des {Pensionsgesetz 1965 § 41, § 41 Abs. 2 PG 1965} zu schaffen. Auch wenn diese Gesetzesbestimmung nicht bestünde, sondern für die Ruhegenußbemessung überhaupt nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand maßgebend wären, würde - von exzessiven Lösungen abgesehen - kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vorliegen. Wenn der Gesetzgeber die Differenzierung zwischen Beamten des Dienststandes und des Ruhestandes traf, um einen bedeutenden finanziellen Mehraufwand des Bundes zu vermeiden, so gehören derartige budgetäre Erwägungen durchaus in den Bereich sachlicher Überlegungen, wenn nur die auf Grund dieser Überlegungen getroffene Regelung in sich sachlich ist. Daß dies zutrifft, wurde bereits ausgeführt. Daß schließlich der Regelung des Art. I des BG BGBl. 774 a/1974 Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einführung der betreffenden Zulage zukommt, kann im vorliegenden Fall auch keine Bedenken gegen diese Regelung entstehen lassen. Es ist offenkundig, daß diese Regelung der ursprünglichen, nur unvollkommen zum Ausdruck gebrachten Absicht des Bundesgesetzgebers entspricht. Es ist dem Gesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht verwehrt, in einem solchen Fall eine Klarstellung mit Rückwirkung auf den ursprünglichen Gesetzgebungsakt vorzunehmen, soweit er von Verfassungs wegen überhaupt eine Rückwirkung anordnen darf.