JudikaturVfGH

B2/75 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
03. Dezember 1975

Der Beschuldigten-Ladungsbescheid ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid (§ 18 Abs. 5 und § 56 AVG 1950) , für den - wie schon aus § 41 Abs. 1 VStG 1950 hervorgeht - die Bestimmungen des § 19 AVG 1950 gelten. Demnach ist gegen einen solchen Bescheid ein administratives Rechtsmittel nicht zulässig und die Möglichkeit der unmittelbaren Anrufung des VfGH gegeben (vgl. Slg. 5746/1968) .

Der Ladungsbescheid legt dem Bf. die Verpflichtung auf, während eines bestimmten Zeitraumes bei der Behörde persönlich zu erscheinen oder an seiner Stelle einen bevollmächtigten Vertreter zu entsenden. In dieser Verpflichtung zu einer unvertretbaren Handlung - auch die Entsendung eines zu bevollmächtigenden Vertreters ist eine nichtvertretbare Handlung - erschöpft sich der normative Inhalt dieses Bescheides. Der darin enthaltene Hinweis auf eine Zwangsstrafe, nämlich eine Geldstrafe in betragsmäßig angegebener Höhe, für den Fall einer ungerechtfertigten Nichterfüllung dieser Verpflichtung hat keinen normativen Charakter; dieser Hinweis stellt sich nicht etwa als eine Vollstreckungsverfügung i. S. des § 10 VVG 1950 dar, mit der eine Zwangsstrafe zur Erzwingung einer unvertretbaren Verpflichtung gemäß § 5 VVG 1950 vollzogen wird, sondern bloß als Androhung eines Zwangsmittels i. S. des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle. Daß einer bloßen Androhung eines Zwangsmittels keine normative Bedeutung zukommt, hat der VfGH in seinen Erk. Slg. 5183/1965 und 7225/1973 dargelegt. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der angefochtene Bescheid, da er eine Geldstrafe als Zwangsmittel nicht verhängt, sondern nur androht, jedenfalls unmittelbar ein privates Vermögensrecht des Bf. nicht berührt.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in das Eigentumsrecht vorliegt, hat der VfGH in ständiger Rechtsprechung allerdings auch darauf Bedacht genommen, ob ein Bescheid, der zwar nicht unmittelbar die Verpflichtung zu einer Geldleistung begründet, unter dem Gesichtspunkt in ein privates Vermögensrecht des Adressaten eingreift, daß er eine Voraussetzung für eine spätere Zahlungsverpflichtung überhaupt oder für die Höhe einer späteren Geldleistung bilde (vgl. Slg. 4941/1965, 5472/1967, 6164/1970, 6740/1972) . In diesen Fällen hat der VfGH einen Eingriff in das Eigentumsrecht deshalb bejaht, weil der jeweils bekämpfte Bescheid die erwähnten Folgen zwingend nach sich zog. Ein solcher Zusammenhang zwischen einem Bescheid, mit dem die Verpflichtung zu einer unvertretbaren Handlung begründet wird, und einer zur Beugung des nachfolgenden Ungehorsams erlassenen Vollstreckungsverfügung, mit der eine Geldstrafe verhängt wird, besteht jedoch nicht; der angefochtene Bescheid greift also auch mittelbar nicht in das Eigentum des Bf. ein.

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