B55/75 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war nach § 55 Abs. 3 im Zusammenhalt mit § 207 und {Bundesabgabenordnung § 208, § 208 Abs. 2 BAO} seit dem erstmaligen Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist mehr als 10 Jahre verstrichen, so daß eine Ahndung des Finanzvergehens in diesem Zeitpunkt ausgeschlossen war.
Wie immer der Begriff der "Ahndung" i. S. des § 55 Abs. 8 Finanzstrafgesetz in einem Berufungsverfahren zu verstehen ist, d. h. unter welchen Voraussetzungen immer eine Berufungsentscheidung als Ahndung zu gelten hat, jedenfalls ist eine solche Ahndung dann gegeben, wenn die Berufungsbehörde eine von der ersten Instanz abweichende Entscheidung fällt (statt auf Beihilfe auf Anstiftung erkennt) und wenn statt einer für mehrere Finanzvergehen einheitlichen Strafe für ein einzelnes Vergehen eine gesonderte Strafe verhängt wird.
Der Ausschluß der Ahndungsmöglichkeit gemäß § 55 Abs. 8 FinStrG ist völlig unabhängig davon, aus welchen Gründen die Frist von 10 Jahren verstrichen ist. Es ist daher belanglos, daß im Beschwerdefall bisher vier VfGH-Entscheidungen und zwei VwGH-Erkenntnisse ergangen sind und sich aus diesem Grunde der Akt bis zum Datum des angefochtenen Bescheides insgesamt vier Jahre, drei Monate und 25 Tage nicht bei der Berufungsbehörde befunden hat, so daß der Akt seit Einleitung des Strafverfahrens bis zu dem genannten Tage den Verwaltungsbehörden nur sieben Jahre, sieben Monate und sechzehn Tage zur Verfügung gestanden hat, also weniger als die absolute Verjährungszeit. Es ist rechtlich auch nicht von Belang, daß in den Entscheidungsgründen der Erk. des VwGH vom 14. Feber 1974, Z 595/72, darauf hingewiesen wird, daß die bel. Beh. im fortgesetzten Verfahren auch die Erschwerungsgründe für die Strafbemessung noch zu prüfen haben werde; aus dieser Bemerkung kann keinesfalls geschlossen werden, daß nach Ansicht des VwGH die absolute Verjährung noch nicht eingetreten ist, denn der VwGH hat sich in seinem Erk. mit der Frage der Verjährung nach § 55 Abs. 8 FinStrG überhaupt nicht befaßt.