B125/74 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Es entspricht der Rechtsprechung, daß zwar ein Bescheid, der die Auflösung eines Vereins zum Gegenstand hat, im Instanzenzug der Verwaltung nur vom Verein selbst durch das hiezu berufene Organ angefochten werden kann (vgl. z. B. BGH Slg. 11002 A/1937) , daß aber ein solcher Bescheid nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, wenn also der Verein infolge Rechtskraft des Bescheides keine Rechtspersönlichkeit mehr besitzt, vor dem VfGH nur von den Mitgliedern im eigenen Namen bekämpft werden kann (vgl. Slg. 1532/1947, 2003/1950) .
Der Erwerb der Mitgliedschaft in einem Verein ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung (Slg. 2914/1955) , für die keine besonderen Bestimmungen bestehen. Bei der Beurteilung einer derartigen Willenserklärung unter dem Gesichtspunkt des {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 151, § 151 ABGB} ist auf die Verhältnisse des Einzelfalles Rücksicht zu nehmen.
Erwirbt ein mündiger Minderjähriger die Mitgliedschaft in einem Verein, der dem unter den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen üblichen Typus einer Vereinigung für Mittelschüler entspricht, so handelt es sich um ein Rechtsgeschäft i. S. des § 151 Abs. 3 ABGB, das von einem Minderjährigen seines Alters üblicherweise geschlossen wird und eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft; ein solches Rechtsgeschäft bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
Nach dem gemäß § 35 VerfGG 1953 sinngemäß anzuwendenden § 1 ZPO ist eine Person insoweit fähig, selbständig vor Gericht als Partei zu handeln (Prozeßfähigkeit) , als sie selbständig gültige Verpflichtungen eingehen kann, wobei das Vorhandensein dieser Verpflichtungsfähigkeit, die Notwendigkeit der Vertretung von Parteien, welchen die Prozeßfähigkeit mangelt, sowie das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung zur Prozeßführung oder zu einzelnen Prozeßhandlungen, soweit nicht die ZPO abweichende Anordnungen enthält, nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen ist. Dabei sollen die Vorschriften über die dem Minderjährigen nach dem § 151 ff und §§ 246 ff zu kommenden Verfügungsbefugnisse und Verpflichtungsbefugnisse schon im Interesse der Minderjährigen einschränkend und nicht ausdehnend ausgelegt werden (vgl. OGH 9. November 1953, 2 Ob 882/53, JBl. 1954, 258; OGH 11. Juli 1962, 1 Ob 152/62, EvBl. 411, ÖJZ, 1962, 520) .
Kann ein mündiger minderjähriger Mittelschüler selbständig die Verpflichtungen eingehen, die in dem Erwerb der Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung von Mittelschülern liegen, so kommt ihm auch gemäß {Zivilprozeßordnung § 1, § 1 ZPO} die Prozeßfähigkeit bezüglich der mit der Mitgliedschaft verbundenen Angelegenheiten zu.