JudikaturVfGH

G28/73 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
27. Juni 1974

Die im § 3 Abs. 1 Z 7 GSPVG a i. d. F. des Art. I Z 3 lit. a der Nov. BGBl. 65/1959, b i. d. F. des Art. I Z 1 lit. c der 17. Nov. BGBl. 7/1968, c i. d. F. des Art. I Z 2 lit. b der 18. Nov. BGBl. 447/1969 enthaltenen Worte "bei verheirateten Personen 750 S monatlich" werden wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot als verfassungswidrig aufgehoben.

Im Erk. Slg. 5854/1968 hat der VfGH ausgeführt, daß das Gleichheitsgebot, soweit es sich an die Gesetzgebung wendet, nicht bloß auf den Zeitpunkt der Erlassung der generellen Norm abgestellt ist; Gesetze müssen stets dem Gleichheitsgebot entsprechen.

Aus § 63 Abs. 1 VwGG 1965 erfließt nicht die Verpflichtung der Behörde, den Ersatzbescheid auf Grund des Erk. des VwGH zu erlassen, sondern die Verpflichtung, dem Ersatzbescheid das Gesetz der Rechtsanschauung des VwGH entsprechend zugrunde zu legen.

Rechtsquelle bei der Erlassung des Ersatzbescheides ist also das Gesetz, dem die Behörde allerdings nicht den Inhalt beimessen darf, der ihrer Rechtsanschauung entspricht, sondern den Inhalt beimessen muß, der der Rechtsanschauung des VwGH entspricht. Davon hat auch der VfGH bei der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ersatzbescheid auszugehen. Die Frage, ob gegen das Gesetz verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, kann für die Verwaltungsbehörde gar nicht auftauchen; sie muß vielmehr auch ein verfassungsrechtlich bedenkliches Gesetz anwenden. Unter dem Begriff "Rechtsanschauung" i. S. des § 63 Abs. 1 VwGG 1965 kann daher in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht die Meinung des VwGH, daß das Gesetz verfassungsrechtlich unbedenklich ist, verstanden werden, die aus dem Umstand des Unterbleibens eines Antrages gemäß Art. 140 B-VG erschlossen werden kann. Daraus ergibt sich, daß ein dem Ersatzbescheid zugrunde liegendes Gesetz i. S. des Art. 140 B-VG Voraussetzung der Entscheidung des VfGH über eine Beschwerde gegen den Ersatzbescheid ist. Dieses Ergebnis wird durch den Umstand unterstrichen, daß im Hinblick auf den Zweck der Regelung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 140, Art. 140 B-VG} die Annahme ausgeschlossen ist, daß der VfGH durch einfaches Gesetz an die Meinung des VwGH, es sei ein Gesetz verfassungsrechtlich einwandfrei oder nicht einwandfrei, gebunden werden kann. Soweit der VfGH in seiner bisherigen Rechtsprechung einen anderen Standpunkt vertreten hat (vgl. z. B. Slg. 4806/1964) , vermag er diesen nicht aufrechtzuerhalten.

Rückverweise