B200/73 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Betreten auf frischer Tat liegt nur vor, wenn eine Person eine als Verwaltungsübertretung strafbare Tat begeht und bei Begehung der Tat betreten wird. Die erste dieser Voraussetzungen ist nicht nur dann gegeben, wenn das einschreitende Organ das Vorliegen einer strafbaren Tat mit voller Verläßlichkeit festzustellen in der Lage ist, sondern schon dann, wenn es vertretbar erscheint, die Tat als Straftat zu beurteilen, wenn also das Organ mit gutem Grund annehmen konnte, daß eine Verwaltungsübertretung begangen wird (Slg. 4173/1962) , oder - negativ ausgedrückt - nicht Umstände vorliegen, die es völlig ausgeschlossen erscheinen lassen, eine Verwaltungsübertretung als gegeben anzunehmen (Slg. 4726/1964) . Auf frischer Tat wird eine Person dann betreten, wenn das Sicherheitsorgan die Begehung der Tat unmittelbar wahrnimmt, ohne daß zur Feststellung der Tat Erhebungen notwendig sind und aus den erhobenen Tatsachen Schlüsse gezogen werden müssen (Slg. 5518/1967 und 7252/1974) ; wer bloß im Verdacht steht, eine strafbare Tat begangen zu haben, wird nicht auf frischer Tat betreten (Slg. 6102/1969) .
Bei der Natur des verbotswidrigen Parkens als Dauerdelikt hält das strafbare Verhalten bis zur Beendigung des verbotswidrigen Parkens an, so daß die Weigerung des Bf., den verbotswidrigen geparkten PKW aus dem Verbotsbereich wegzufahren, ein Betreten auf frischer Tat darstellt (§ 35 VStG) .
Rechtmäßige Verhaftung nach § 35 lit. c VStG 1950 wegen Verharrens in der Fortsetzung einer nach der StVO 1960 strafbaren Handlung.
Bei einer rechtmäßigen Festnehmung nach § 35 lit. c VStG 1950 stellt die für die Dauer der Verwahrung im Arrestlokal erfolgte Abnahme von Gegenständen, die der Bf. bei sich trug, nicht einen verfassungswidrigen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums dar.
Dem Gemeindewachkörper sind die im § 97 Abs. 1 StVO 1960 genannten Befugnisse nur für den Fall eingeräumt, daß der Gemeinde gemäß § 94 c Abs. 1 dieses Gesetzes Angelegenheiten übertragen sind, die sonst von der Bezirksverwaltungsbehörde zu besorgen sind. Diese Verknüpfung mit Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde führt dazu, daß auch die von dem Gemeindewachkörper gemäß § 97 Abs. 1 StVO 1960 zu besorgenden Aufgaben dem übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde zuzuordnen sind. Bei der Natur des verbotswidrigen Parkens (§ 24 StVO 1960) als Dauerdelikt hält das strafbare Verhalten bis zur Beendigung des verbotswidrigen Parkens an.
Für die Stadtgemeinde Feldkirch wurde durch die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung LGBl. 20/1970 bestimmt, daß die Angelegenheiten der Verkehrspolizei auf Gemeindestraßen im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu besorgen sind. Somit sind auch die vom Gemeindewachkörper in Handhabung seiner Mitwirkungsrechte getroffenen Maßnahmen, die für die Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind, und die von ihm vorgenommene Anwendung körperlichen Zwanges, soweit sie hier gesetzlich vorgesehen ist, als Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches der Stadtgemeinde Feldkirch zuzurechnen.
In seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. z. B. Slg. 3321/1958, 4333/1962, 5508/1967, 5682/1968) hat der VfGH die Rechtsauffassung vertreten, daß Beschwerden gegen sog. faktische Amtshandlungen nicht gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG an den VwGH abgetreten werden können, weil solche Amtshandlungen keine vom VwGH nach Art. 130 und 131 B-VG überprüfbaren Bescheide seien. Der VfGH kann jedoch die Auffassung nicht aufrechterhalten, daß ihm Art. 144 Abs. 2 B-VG die Befugnis einräumt, einen unter Berufung auf diese Verfassungsnorm gestellten Abtretungsantrag bei Beschwerden gegen sog. faktische Amtshandlungen abzuweisen. {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 Abs. 2 B-VG} schließt die Abtretung an den VwGH in den Fällen aus, die nach Art. 133 B-VG von der Zuständigkeit dieses Gerichtshofes ausgeschlossen sind; der Ausschluß von der Zuständigkeit des VwGH umfaßt die in den Z 1 bis 4 des Art. 133 B-VG angeführten Angelegenheiten, darunter die in Z 1 genannten "Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des VfGH gehören" . Die Fragestellung, ob der VwGH zuständig ist, über Beschwerden gegen faktische Amtshandlungen zu erkennen, ist aber eine andere als die nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 133, Art. 133 B-VG} zu beantwortende: Es handelt sich nämlich darum, ob faktische Amtshandlungen als Bescheide einer Verwaltungsbehörde i. S. der Art. 130 und 131 B-VG angesehen werden können. Diese Frage hat aber allein der VwGH zu beurteilen, ebenso wie der VfGH für sich in Anspruch genommen hat, faktische Amtshandlungen als "Bescheide (Entscheidungen oder Verfügungen) der Verwaltungsbehörde" i. S. des Art. 144 Abs. 1 zu werten.