B214/73 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung für Zwecke der Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von Bundesstraßen (§ 17 Bundesstraßengesetz 1971) entscheidet die Bundesstraßenbehörde gemäß § 20 Abs. 1 BStG 1971 unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954. Daraus - im § 1 EisenbahnenteignungsG 1954 wird auf {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 365, § 365 ABGB} verwiesen -, wie auch schon aus dem Begriff der Enteignung selbst ergibt sich, daß eine solche nach den §§ 17 ff. BStG 1971 nur zulässig ist, wenn und insoweit sie im öffentlichen Interesse notwendig ist (z. B. Slg. 5617/1967) . Entspricht die Enteignung dieser Forderung nicht, so liegt eine denkunmögliche Gesetzesanwendung und also eine Verletzung des Eigentumsrechtes vor (vgl. auch Slg. 6763/1972) .
Dem Bundesstraßengesetz 1971 ist nicht zu entnehmen, daß sich die Bundesstraßenbehörde bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses an einer beantragten Enteignung auf die Beantwortung der Frage zu beschränken hätte, ob - was hier offenkundig nicht zutrifft - das Straßenbauprojekt auch ohne Enteignung verwirklicht werden könnte.
Sie hat vielmehr, da auch dieser Umstand eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Enteignung bildet, auch zu prüfen, ob ein öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Projektes besteht.
Die Legitimation zur Bekämpfung der Notwendigkeit der Enteignung schließt unter diesen Umständen auch die Legitimation zur Bekämpfung des Straßenbauprojektes ein (vgl. Slg. 4476/1963) . Aus dem Vorbringen des Bf. ergibt sich, daß dieser nicht nur anerkennt, daß das gegenständliche Straßenbauprojekt die verfügte Enteignung erforderlich macht, er" widersetzt sich "auch" weder dem, Ausbau der Bundesstraße noch deren Verbreiterung "an sich und stellt also auch das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Straßenbauprojektes grundsätzlich nicht in Abrede. Seine Meinung, daß die Enteignung unzulässig sei, gründet sich allein auf den Umstand, daß mit dem Straßenausbau nicht gleichzeitig eine Straßenunterführung hergestellt werden soll. Damit aber kann die Unzulässigkeit der verfügten Enteignung nicht dargetan werden. Der Umstand, daß die nach Ansicht des Bf. unerläßliche Straßenunterführung unterbleibt, hat nicht zur Folge, daß Grundflächen in größerem Ausmaß enteignet werden müssen, als das im gegenteiligen Fall notwendig wäre.