JudikaturVfGH

B194/72 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. Juni 1973

Der VfGH hat in seinem Erk. Slg. 3592/1959 ausgesprochen, daß das aus der Erlassung eines auf § 93 Abs. 1 Finanzstrafgesetz gestützten Hausdurchsuchungsbefehles und dem nachfolgenden Vollzug derselben bestehende Verwaltungsgeschehen keineswegs einen einheitlichen normativen Akt bildet. Es liegen vielmehr zwei in ihren normativen Wirkungen zu unterscheidende Verwaltungsakte vor, nämlich der Hausdurchsuchungsbefehl einerseits und die Ausübung bloßer Zwangsbefugnisse bei der Durchführung der Hausdurchsuchung anderseits, die beide jeweils einen Bescheid i. S. des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 B-VG} bilden; dies gilt für den Hausdurchsuchungsbefehl ohne Rücksicht darauf, ob er auch als Bescheid i. S. des FinStrG anzusehen ist und daher nach § 152 FinStrG mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angefochten werden kann. An diesem Rechtsstandpunkt hält der VfGH fest.

Gemäß § 93 Abs. 1 FinStrG muß der Hausdurchsuchungsbefehl schriftlich erlassen werden; er muß mit Gründen versehen sein und dem Betroffenen zugestellt werden. Ein solcher schriftlicher Befehl greift in die Rechtssphäre des Betroffenen ein und gestaltet dessen Rechtslage gegenüber der Finanzstrafbehörde; ihm kommt daher der Charakter eines Bescheides i. S. des FinStrG zu. Da eine gesetzliche Anordnung, mit der ein Rechtsmittel gegen einen Hausdurchsuchungsbefehl für unzulässig erklärt wird, nicht besteht, ist gegen diesen gemäß § 152 Abs. 1 FinStrG das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig, der nach Abs. 2 dieses Paragraphen aufschiebende Wirkung nicht zukommt.

§ 94 Abs. 2 erster Satz FinStrG ordnet in bezug auf die Durchführung der Hausdurchsuchung an, daß der Inhaber der Räumlichkeiten, die durchsucht werden sollten, vor Beginn der Amtshandlung aufzufordern ist, das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Schon aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß der Hausdurchsuchungsbefehl, wenn in ihm die Suche nach Gegenständen verfügt wird, die voraussichtlich dem Verfall unterliegen oder die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen, auch den rechtlichen Titel dafür bildet, diese Gegenstände in Beschlag zu nehmen. Dasselbe ergibt sich im Hinblick auf den Zweck der Regelung auch aus Abs. 4 des § 93 leg. cit., der vorsieht, daß bei Gefahr im Verzug die in den Abs. 2 und 3 dieses Paragraphen geregelten Befugnisse, d. s. die Durchführung einer Hausdurchsuchung oder einer Personendurchsuchung, den in § 89 Abs. 2 genannten Organen (d. s. u. a. die Organe der Finanzämter sowie der Zollämter) auch ohne Hausdurchsuchungsbefehl bzw. Personendurchsuchungsbefehl zustehen.

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