A20/72 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Zulässigkeit der Klage eines Bundeslandes gegen den Bund auf Auszahlung von Ertragsanteilen.
Den Anspruch eines Landes auf seine Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben hat der Bund zu erfüllen. Der Bund hat nämlich die Abgaben zu erheben und Ertragsanteile an das Land weiterzugeben (§ 6 Z 2 lit. a F-VG 1948) . Gibt der Bund vorschußweise einem Land zu wenig und einem anderen Land entsprechend zu viel, so ist er verpflichtet, unabhängig von der Hereinbringung des Übergenusses bei diesem Land das Guthaben jenes Landes auszugleichen (§ 12 Abs. 1 FAG 1967) . Der Bund ist also verpflichtet, den hier geltend gemachten Anspruch zu erfüllen, wenn er im übrigen zu Recht besteht.
Aus dem Wesen der Ertragsanteile im Sinne des F-VG 1948 und des FAG 1967 ergibt sich, daß das Ende des Finanzjahres der Zeitpunkt ist, der für die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale maßgeblich ist, die die Höhe des Anspruches auf die Ertragsanteile bestimmen.
Die Einrichtung des Finanzjahres bedingt nämlich, daß die Erträge der gemeinschaftlichen Abgaben nicht nur als Jahressummen im Bundesfinanzgesetz ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 51, Art. 51 B-VG}) veranschlagt, sondern auch als Jahressummen im Rechnungsabschluß (Art. 42 Abs. 5 und Art. 121 Abs. 2 B-VG) auszuweisen sind. Die Jahresrechnungssumme der Erträge kann nur nach dem Stand der maßgeblichen Faktoren am Ende des Finanzjahres errechnet werden. Ebenso können daher auch die auf die Länder entfallenden Ertragsanteile nur nach dem Stand der für ihre Berechnung maßgeblichen Faktoren am Ende des Finanzjahres ermittelt werden. Diese Feststellung wird durch die Vorschrift des § 12 Abs. 1 FAG 1967 unterstrichen, aus der sich ergibt, daß vor Ende des Finanzjahres nur Vorschüsse auf die Ertragsanteile möglich sind, die nach dem Stand der maßgeblichen Faktoren am Ende des Finanzjahres abgerechnet werden müssen. Auch § 8 Abs. 2 FAG 1967 trägt dem Rechnung, indem er von der Teilung der Reinerträge der Abgaben spricht; die Reinerträge können erst mit Ende des Finanzjahres ermittelt werden, ihre Teilung kann nur nach Maßgabe der Erfüllung der sie bestimmenden Tatbestandsmerkmale im Zeitpunkt des Abschlusses des Finanzjahres erfolgen. Der Begriff der" rechnungsmäßigen Ertragsanteile "im § 5 FAG 1967 führt ebenfalls zur Jahressumme und deren Teilung im vorher umschriebenen Sinn. Dazu kommt, daß es unmöglich ist, das" örtliche Aufkommen ", das" länderweise Aufkommen "und den" länderweisen Verbrauch ", die gemäß § 9 Abs. 2 FAG 1967 bei der Ermittlung der Ertragsanteile gewisser Steuern in Rechnung zu stellen sind, vor Ende des Finanzjahres zur Teilung heranzuziehen. Hätte der Gesetzgeber hinsichtlich der" Volkszahl " einen anderen Stichtag festsetzen wollen, so hätte er dies zum Ausdruck gebracht. Zu den genannten Tatbestandsmerkmalen, für deren Erfüllung das Ende des Finanzjahres der maßgebliche Zeitpunkt ist, gehört auch der durch das zuletzt festgestellte Volkszählungsergebnis bestimmte Volkszahl-Prozentanteil. Am Ende des Finanzjahres 1971 war dieser Volkszahl-Prozentanteil durch das damals bereits festgestellte Ergebnis der Volkszählung 1971 bestimmt. Dieser Volkszahl- Prozentanteil ist somit bei der Zwischenabrechnung und bei der endgültigen Abrechnung maßgeblich.