G4/71 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
§ 43 Abs. 1 lit. b Z 1, § 43 Abs. 7, § 45 Abs. 2 und § 94 b StVO 1960, BGBl. 159/1960, (Fassung der dritten StVONov., BGBl. 209/1969) werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
a) Die Verordnung des Stadtmagistrates Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde vom 25. Juli 1966, Z. VI-5675/1966, b) die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 18. August 1970, Z. MA 46-V2-43/70, mit der für den Alexander Coch-Platz (Platz vor der Pfarrkirche St. Leopold - Große Pfarrgasse 15) in Wien 2, ein "Fahrverbot - Zufahrt zur Ladetätigkeit gestattet" erlassen worden ist, sowie c) die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 23. August 1960, Z. MA 70-III-251/60, i. d. F. vom 12. Juli 1963, Z. MA 46-V16- 64/63, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Es ist richtig, daß beim fließenden Verkehr örtliche und überörtliche Interessen vielfach ineinander fließen. Nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 Abs. 2 B-VG} kommt es nun darauf an, welche Interessen überwiegen. Denn nur wenn diese Angelegenheiten im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen sind, fallen sie in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, sofern sie auch geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Regelung des fließenden Verkehrs kann aber nicht in isolierter Betrachtung der Verkehrsbedeutung einer einzelnen Straße getroffen werden. Der fließende Verkehr bedarf vielmehr einer planvollen Ordnung, die nur unter Bedachtnahme auf ein überörtliches Konzept erfolgen kann. Es überwiegen daher in Belangen der Erlassung von Fahrverboten die überörtlichen Interessen. Die Erlassung von Fahrverboten auf Grund des § 43 Abs. 1 lit. b Z 1 StVO 1960 ist daher keine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Das Gleiche gilt für Ausnahmen von solchen Fahrverboten nach § 45 Abs. 2 StVO. Diese Gesetzesstellen sind also nicht deshalb verfassungswidrig, weil die darin geregelten Angelegenheiten nicht als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde bezeichnet sind. Das Gleiche gilt auch für die Bestimmung des § 43 Abs. 7 StVO. Damit erweist sich aber auch § 94 d StVO nicht deshalb als verfassungswidrig, weil er die Erlassung von Fahrverboten betreffend Straßen von örtlicher Verkehrsbedeutung und die Bewilligung von Ausnahmen von solchen nicht in der Liste jener Angelegenheiten enthält, die in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallen.
Der im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 118, Art. 118 Abs. 2 zweiter Satz B-VG} liegende Befehl des Verfassungsgesetzgebers an den Bundesgesetzgeber und Landesgesetzgeber bezieht sich darauf, daß die vom eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde umfaßten "Angelegenheiten" ausdrücklich als solche zu bezeichnen sind. Die gesetzestechnische Art der Bezeichnung ist dem Gesetzgeber freigestellt. Er kann beispielsweise - wenn mehrere Angelegenheiten in einem Gesetz zu bezeichnen sind - die Bezeichnung im Zusammenhang mit der jeweiligen Regelung oder auch zusammenfassend an anderer Stelle vornehmen.
Wird eine Bezeichnung in verfassungswidriger Weise vorgenommen, so liegt die Verfassungswidrigkeit in der Bezeichnung; der verfassungswidrige Zustand kann vom VfGH durch Aufhebung dieser Bezeichnung beseitigt werden. Unterbleibt jedoch die Bezeichnung einer Angelegenheit in verfassungswidriger Weise, so kann die darin liegende Verfassungswidrigkeit nur der Gesetzesstelle angelastet werden, in der die Angelegenheit, welche hätte bezeichnet werden sollen, geregelt ist; in einem solchen Fall kann der verfassungswidrige Zustand vom VfGH nur durch die Aufhebung dieser Stelle, nicht aber durch die Aufhebung einer die Angelegenheit nicht erfassenden Bezeichnung beseitigt werden. In dem vorliegenden Fall ist daher die Verfassungswidrigkeit, die darin liegt, daß die Entfernung von Hindernissen auf Straßen, soweit diese vom eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde umfaßt wird, nicht als Angelegenheit dieses Wirkungsbereiches bezeichnet ist, nicht dem § 94 d StVO 1960 anzulasten (der eine zusammenfassende Aufzählung von Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde enthält) , sondern dem § 89 a StVO 1960 (der die Regelung der Entfernung von Hindernissen auf Straßen enthält) .
Die Erlassung von Fahrverboten auf Grund des § 43 Abs. 1 lit. b Z 1 StVO 1960 ist keine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde.
Das gleiche gilt für Ausnahmen von solchen Fahrverboten nach § 45 Abs. 2 StVO 1960.
Diese Gesetzesstellen sind also nicht deshalb verfassungswidrig, weil die darin geregelten Angelegenheiten nicht als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde bezeichnet sind.
Das gleiche gilt auch für die Bestimmung des § 43 Abs. 7 StVO 1960.