JudikaturVfGH

G37/72 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. Dezember 1972

{Strafprozeßordnung 1975 § 129, § 129 Abs. 1 erster Satz lit}. a und lit. b, zweiter und dritter Satz KFG 1967, BGBl. 267 i. d. F. der KFGNov. 1971, BGBl. 285/1971, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Zur Materie des Dienstrechtes gehört die Summe aller Rechte und Pflichten der öffentlich Angestellten (vgl. Slg. 1936/1950) . Wenn daher zu untersuchen ist, ob die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen dem Kompetenztatbestand "Dienstrecht" (Art. 10 Abs. 1 Z 16, {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 8 B-VG}) zu unterstellen sind, bedeutet dies, daß zu untersuchen ist, ob die Regelung ihrem Inhalte nach eine solche ist, die die Rechte und Pflichten von öffentlich Angestellten zum Gegenstand hat.

Zunächst ist festzuhalten, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle die Vergütung für eine Gutachtertätigkeit durch Sachverständige schlechthin regelt, ohne zwischen amtlichen und nichtamtlichen Sachverständigen zu unterscheiden. Sie beschränkt sich aber auf die Vergütung für eine Gutachtertätigkeit durch die gemäß § 124 bis {Kraftfahrgesetz 1967 § 127, § 127 KFG 1967} bestellten Sachverständigen und auf die Vergütung für die Abgabe eines in § 69 Abs. 1 KFG 1967 angeführten Gutachtens durch herangezogene Ärzte. Die Bestellung zum Sachverständigen erfolgt in den Fällen des § 124 KFG 1967 durch den BM für Handel, Gewerbe und Industrie (zum Teil auf Vorschlag des Landeshauptmannes) , in den Fällen der §§ 125 bis 127 KFG 1967 durch den Landeshauptmann. Dieser Bestellungsakt ist insofern die Rechtsgrundlage der Gutachtertätigkeit des Sachverständigen, als damit die Eignung dieser Personen zur Gutachtertätigkeit ausgesprochen wird, und zwar auch in den Fällen, in denen ein Bediensteter einer Gebietskörperschaft zum Sachverständigen bestellt wird. Dieser Bestellungsakt erfolgt in Durchführung des KFG 1967 im Rahmen der Bundesvollziehung stets durch Organe der Bundesverwaltung; den die Diensthoheit ausübenden Organen von Ländern und Gemeinden, aber auch den die Diensthoheit des Bundes ausübenden Organen kommt kein Einfluß zu (vom Fall, daß der BM für Handel, Gewerbe und Industrie Bedienstete aus seinem Ressortbereich gemäß {Kraftfahrgesetz 1967 § 124, § 124 KFG 1967} bestellt, kann im gegebenen Zusammenhang abgesehen werden) . Die Heranziehung zum Sachverständigen im konkreten Einzelfall erfolgt gleichfalls im Rahmen der Bundesvollziehung im Zuge eines eine Angelegenheit des Kraftfahrwesens betreffenden Verwaltungsverfahrens gemäß § 52 AVG 1950; im Falle der Beiziehung von zu Sachverständigen bestellten Bediensteten der Länder und Gemeinden erfolgt sie also gleichfalls nicht auf Grund einer dienstrechtlichen Verfügung eines die Diensthoheit dieser Gebietskörperschaften ausübenden Organs. Das gleiche gilt auch für die zur Abgabe von Gutachten i. S. des {Kraftfahrgesetz 1967 § 69, § 69 Abs. 1 KFG 1967} herangezogenen Ärzte mit dem Unterschied, daß hier die Bestellung zum Sachverständigen entfällt, weil ihre Eignung zum Gutachter vom Bundesgesetzgeber auf Grund ihres ärztlichen Berufes von vornherein als gegeben angenommen wird. Daraus ergibt sich, daß die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Bund als Träger der Bundesvollziehung und den Sachverständigen und Ärzten i. S. des {Strafprozeßordnung 1975 § 129, § 129 Abs. 1 erster Satz lit}. a und lit. b keinesfalls dem Dienstrecht zuzuordnen sind, weil sie sich nicht als Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis darstellen. Damit ist aber die Regelung, welche Vergütung für die im Rahmen dieser Rechtsbeziehung erstatteten Gutachten gewährt wird, gleichfalls keine dienstrechtliche Regelung, sondern es handelt sich nur um eine finanzielle Konsequenz aus der getroffenen Sachregelung. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich aber auch, daß diese Rechtsbeziehungen im Einzelfall ihre Rechtsgrundlage in der Beiziehung als Sachverständiger gemäß § 52 AVG 1950 haben, also in einem Verwaltungsakt, der im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gesetzt wird. Auch die gemäß {Kraftfahrgesetz 1967 § 129, § 129 KFG 1967} zu leistende Vergütung ist ein Teil der durch diesen verfahrensrechtlichen Verwaltungsakt begründeten Rechtsbeziehungen.

Dafür sprechen auch die von der Bundesregierung vorgetragenen Erwägungen über die entsprechenden Regelungen im Bereich des gerichtlichen Verfahrens. Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu der im Erk. Slg. 6761/1972 enthaltenen Feststellung, daß, wo immer in den Verwaltungsverfahrensgesetzen Kostenfragen geregelt sind, diese Regelungen nur das Verhältnis zwischen dem Rechtsträger der einschreitenden Verwaltungsbehörde und den am Verwaltungsverfahren irgendwie Beteiligten betreffen. In diesem Erk. ging es nämlich darum, zu begründen, daß die finanziellen Beziehungen zwischen den Rechtsträgern verschiedener Verwaltungsbehörden nicht eine Angelegenheit des Verwaltungsverfahrens sind. Der VfGH hat dies aus den bestehenden Regelungen des Verwaltungsverfahrens erschlossen. Im vorliegenden Fall geht es aber um den Begriff des Verwaltungsverfahrens überhaupt. Zum Verwaltungsverfahren gehören aber nicht nur Angelegenheiten, die in den bestehenden Verwaltungsverfahrensgesetzen tatsächlich geregelt sind, sondern auch alle anderen Angelegenheiten, die systematisch zum Verwaltungsverfahren gehören. Die Vergütungen, die einem in einem Verwaltungsverfahren tätig werdenden Sachverständigen gebühren, sind nach den obigen Ausführungen eine solche Angelegenheit. Mit diesem Ergebnis stimmt auch die in § 129 Abs. 2 und 3 KFG 1967 getroffene Regelung überein. Sowohl in der Stammfassung als auch in der jetzt geltenden Fassung dieser Absätze wird bestimmt, daß die im Abs. 1 angeführte Vergütung von der Gebietskörperschaft zu leisten ist, die den Amtssachaufwand der das Gutachten einholenden Behörde zu tragen hat, und daß diese Gebietskörperschaft bei Sachverständigen, die dem Personalstand einer anderen Gebietskörperschaft angehören, dieser eine Vergütung (Entschädigung) für den Ausfall an Dienstleistungen des Sachverständigen während seiner Gutachtertätigkeit zu leisten hat. Daraus ergibt sich aber, daß zur Regelung der Vergütungen von Sachverständigen, die in einem kraftfahrrechtlichen Verfahren zur Erstattung von Gutachten herangezogen werden, der Gesetzgeber zuständig ist, der zur Regelung des materiellen Rechtes zuständig ist, weil grundsätzlich, wie sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 ("Strafrechtswesen mit Ausschluß des Verwaltungsstrafrechtes und Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen") und aus {Bundes-Verfassungsgesetz Art 11, Art. 11 Abs. 2 B-VG} ergibt, der jeweils zur Regelung des Sachgebietes zuständige Gesetzgeber auch zur Regelung des Verfahrens auf diesem Gebiete zuständig ist (vgl. Slg. 3054/1956, 3061/1956, 6011/1969) .

Da zur Regelung des Kraftfahrwesens nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG} der Bundesgesetzgeber zuständig ist, ist er auch zuständig, die Entschädigungen zu regeln, die den in einem kraftfahrrechtlichen Verwaltungsverfahren beigezogenen Sachverständigen zu leisten sind.

Der Bundesgesetzgeber war daher zuständig, die in {Kraftfahrgesetz 1967 § 129, § 129 KFG} getroffene Regelung zu erlassen.

§ 66 Abs. 2 erster Satz KDV 1967, BGBl. 399/1967, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben. Es kann jedenfalls den Verwaltungsakten und der Äußerung des BM für Handel, Gewerbe und Industrie entnommen werden, daß der BM für Handel, Gewerbe und Industrie einen annähernd richtigen Durchschnittswert gefunden hat. Es ist ihm zuzugeben, daß ein solcher Durchschnittswert stets mit Ungenauigkeiten und Vergröberungen behaftet ist. Der VfGH konnte daher nicht finden, daß der in der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle enthaltene Durchschnittswert von 25 v. H. für Zeitversäumnis nicht dem Gesetz entspricht.

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