B145/72 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben (§ 3 Handelsgesetzbuch) abgesehen, sind alle Kaufleute i. S. des HGB, deren Gewerbebetrieb über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht (§ 4 leg. cit.) , verpflichtet (§§ 9 und 29 leg. cit.) , die Eintragung ihrer Firma in das Handelsregister zu veranlassen. Der Kreis der Vollkaufleute ist also nach den Intentionen des Gesetzes identisch mit dem Kreis der ins Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden. Kaufleute - auch Minderkaufleute i. S. des § 4 HGB - unterliegen besonderen, von den allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechtes vielfach abweichenden, den speziellen Bedürfnissen des Handelsverkehrs Rechnung tragenden Vorschriften des Handelsrechtes. Die speziell für Vollkaufleute geltenden Vorschriften des Handelsrechtes tragen insbesondere auch dem im Geschäftsverkehr zwischen diesen Personen vergleichsweise größeren Bedürfnis der (potentiellen) Geschäftspartner Rechnung, sich über die rechtlichen, aber auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse des anderen umfassend informieren und über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse umfassende und eindeutig belegbare Informationen anbieten zu können. Dem zuletzt genannten Zweck dienen vor allem die Vorschriften des HGB über die Handelsbücher, in denen der Vollkaufmann "seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen" hat ({Handelsgesetzbuch § 38, § 38 HGB}) . Daß diese Ersichtlichmachungspflicht das gesamte Betriebsvermögen, also auch den zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Boden umfaßt, ergibt sich insbesondere aus {Handelsgesetzbuch § 39, § 39 HGB}. Daran schließt der Gesetzgeber an, wenn er zwischen Vollkaufleuten und anderen Steuerpflichtigen insofern unterscheidet, als erstere ihre durch die handelsrechtlichen Vorschriften begründete Buchführungspflicht "auch im Interesse der Abgabenerhebung zu erfüllen" ({Bundesabgabenordnung § 124, § 124 BAO}) und für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen, "das nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung" - d. h. auch: vollständig - auszuweisen ist, anzusetzen haben, während für andere Gruppen von Steuerpflichtigen vielfach andere Vorschriften gelten. So etwa, daß in vielen Fällen eine Buchführungspflicht überhaupt nicht besteht ({Bundesabgabenordnung § 125, § 125 BAO}) , daß die Gewinnermittlung anstelle durch Betriebsvermögensvergleich durch Vergleich der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben erfolgen kann (§ 4 Abs. 3 EStG 1967) und daß schließlich dann, wenn die Gewinnermittlung durch Vergleich des Betriebsvermögens erfolgt, der Wert des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens außer Ansatz bleibt (§ 4 Abs. 1 EStG 1967) . Allen diesen Unterscheidungen, speziell aber der durch die §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG 1967 angeordneten unterschiedlichen Behandlung von Steuerpflichtigen liegt nicht zuletzt die Überlegung zugrunde, daß an den Inhalt von Geschäftsaufzeichnungen zum Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung keine geringeren Anforderungen als zum Schutz der besonderen Bedürfnisse des Handelsverkehrs gestellt werden sollen, somit auch für steuerliche Zwecke ein vollständiges anstelle eines unvollständigen Vermögensverzeichnisses von dem zu fordern ist, der ein solches schon nach den handelsrechtlichen Vorschriften zu führen verpflichtet ist. Wesentlich ins Gewicht fällt aber auch, daß der vom § 5 EStG 1967 geforderte - im Vergleich zu § 4 Abs. 1 leg. cit. umfassendere - Vermögensvergleich keineswegs bloß bewirkt, daß ein bei der Veräußerung eines Grundstückes erzielter Mehrerlös den Gewinn erhöht, sondern gleicherweise zur Folge hat, daß sich ein allfälliger Veräußerungsverlust gewinnmindernd auswirkt. Der Vollkaufmann wird sohin gegenüber dem seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1967 ermittelnden Steuerpflichtigen durchaus nicht einseitig schlechter gestellt. Dagegen, daß § 5 EStG 1967 einen umfassenderen Vermögensvergleich fordert als § 4 Abs. 1 leg. cit. und dessen Ergebnis auch steuerliche Bedeutung beimißt, bestehen aus diesen Gründen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der VfGH findet es aber auch unbedenklich, daß § 5 EStG 1967 nicht unmittelbar auf Vollkaufleute, sondern auf Gewerbetreibende abstellt, deren Firma ins Handelsregister eingetragen ist und auf diese Art bewirkt, daß der Steuerpflichtige in jenen Ausnahmefällen, in denen seine Firma zu Unrecht ins Handelsregister eingetragen oder deren Eintragung zu Unrecht unterlassen worden ist, anders behandelt wird, als er nach den Intentionen des Gesetzgebers behandelt werden sollte.
Diese nur in atypischen Fällen eintretende Konsequenz läßt eine Regelung, die die Finanzbehörde im Interesse der Verwaltungsökonomie der selbständigen Beurteilung der Vollkaufmanneigenschaft des Steuerpflichtigen enthebt, keineswegs als unsachlich erscheinen.
Im Hinblick auf die Vielfalt der Komponenten, die bei einer Regelung der hier in Rede stehenden Art vernünftigerweise in Betracht gezogen werden können, hält der VfGH jedoch die Anmerkung für zweckmäßig, daß aus den vorstehenden Ausführungen nicht abzuleiten ist, daß die vom Gesetzgeber in den §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG 1967 getroffene Unterscheidung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes die einzig zulässige Lösung wäre.
Die Argumentation der Bfin., die darin mündet, daß allein "der letzte Satz der Bestimmung gemäß § 4/1 l. c. systemgerecht" sei, basiert primär auf ihrer Meinung, daß die in den §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG 1967 begründete Unterscheidung sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Da der VfGH Bedenken dieser Art nicht hegt, genügt die Feststellung, daß der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Absetzungen für Abnutzung nur bei der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorsieht, wogegen bei allen anderen Wirtschaftsgütern - nicht bloß bei Grund und Boden - die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert möglich ist. Eine derartige, ausschließlich auf objektive Merkmale abstellende unterschiedliche Regelung begegnet aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das gleiche gilt für die Bestimmung des § 5 EStG 1967, wonach der bei der Veräußerung einer Liegenschaft erzielte Mehrerlös den Gewinn erhöht, und es ist auch kein Grund ersichtlich, weswegen die Zusammenschau dieser beiden unbedenklichen Vorschriften zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß geben sollte.
Denkmögliche Anwendung des § 6 Abs. 2 EStG 1967. Es steht außer Streit, daß der im Jahre 1968 veräußerte Anteil an der Liegenschaft EZ 1346 Katastralgemeinde I-Stadt im Zeitpunkt der Veräußerung zum Betriebsvermögen der Bfin. gehört hat. Strittig ist aber, ob diese Zugehörigkeit damals schon mindestens 20 Jahre angedauert hat. Die Bfin. bejaht diese Frage mit dem Hinweis auf die "Identität des Betriebes" , die bel. Beh. verneint sie mit der Begründung, daß das Einzelunternehmen des Z H durch die Einbringung in die Kommanditgesellschaft am 1. Jänner 1949 untergegangen sei. Diese Auffassung gründet letztlich darauf, daß es nach § 6 Abs. 2 EStG 1967 nicht auf die Identität des "Betriebes" , sondern auf jene des durch die Person des Unternehmers individualisierten - und mithin entgegen der Meinung der Bfin. mit dem "Betrieb" nicht wesensgleichen - "Unternehmens" ankomme, die Identität des Unternehmens jedoch durch die Gesellschaftsgründung am 1. Jänner 1949 unterbrochen sei. Diese Auffassung ist vertretbar.
Die Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1968 haben keine normative Wirkung. Der VfGH verkennt nicht, daß die Finanzbehörden die EStR 1968 ungeachtet dieses Umstandes bei ihrer Tätigkeit heranziehen und es deshalb den Anschein haben könnte, als sei es für den Staatsbürger bedeutungslos, ob der BM "anordnet" oder bloß "im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitteilt" . Eine solche Auffassung ließe jedoch außer Betracht, daß ein derartiger Erlaß die Adressaten zwar informiert, aber keineswegs verpflichtet, dieser Information gemäß zu handeln. Die Rechtsstellung sowohl der Organwalter als auch der Parteien des finanzbehördlichen Verfahrens bleibt durch den Erlaß völlig unberührt: Erstere haben für den Fall seiner Nichtbeachtung keinerlei rechtliche Sanktionen zu gewärtigen, letztere können daher durchaus nicht ohne Aussicht auf Erfolg einwenden, daß das Gesetz nicht den in den Erlaßbestimmungen umschriebenen Inhalt habe.