G41/72 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Die in § 16 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 25. Mai 1966, BGBl. 70, über die Errichtung eines BM für Bauten und Technik und über die Neuordnung des Wirkungsbereiches einiger BM enthaltenen Worte "auf Vorschlag der jeweils beteiligten Landeshauptmänner" werden gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 140, Art. 140 B-VG} als verfassungswidrig aufgehoben.
Dem Antrag, die Worte "...... im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann ......" im § 16 Abs. 1 leg. cit. aufzuheben, wird keine Folge gegeben.
Dem Gesetz kann nicht der Inhalt beigemessen werden, der Landeshauptmann sei hier nicht dem BM unterstellt und es sei die Herstellung des Einvernehmens mit dem Landeshauptmann (§ 16 Abs. 1 leg. cit.) ein bloßer Sachverhalt, an den das Gesetz den Auftrag an den Landesgendarmeriekommandanten knüpft, die Maßnahme diesem Einvernehmen entsprechend zu treffen, und es sei ebenso der Vorschlag des Landeshauptmannes (§ 16 Abs. 2 leg. cit.) ein bloßer Sachverhalt, an den das Gesetz den Auftrag an den BM knüpft, die Maßnahme dem Vorschlag entsprechend zu treffen. Mit anderen Worten: Die in den Erk. des VfGH Slg. 5985/1969 und 6061/1969 umschriebene Gesetzesauslegung betreffend die Bestellung von Mitgliedern besonderer Kollegialbehörden (nämlich der Grundverkehrslandeskommission Salzburg bzw. der Landesgrundverkehrskommission Oberösterreich) ist hier nicht in ähnlicher Weise möglich. Dies allein schon deswegen, weil es sich hier um Angelegenheiten der "Organisation und Führung der Bundesgendarmerie" (Art. 10 Abs. 1 Z 14, {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 2 B-VG}) handelt; das Wesen des genannten Kompetenztatbestandes schließt es aus, daß der einfache Gesetzgeber verfassungsmäßigerweise organisatorische Maßnahmen an Sachverhaltselemente knüpft, die eine ausschlaggebende Einflußnahme von nicht dem Ressortminister (der Bundesregierung) unterstellten Personen ermöglicht.
Die "Organisation und Führung der Bundesgendarmerie" gehört zu jenen Angelegenheiten, die gemäß Art. 102 Abs. 2 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden dürfen. Es bleibt dem Bund vorbehalten, auch in der genannten Angelegenheit den Landeshauptmann mit der Vollziehung des Bundes zu beauftragen (Art. 102 Abs. 3 B-VG) ; diesfalls übt der Landeshauptmann die Vollziehung des Bundes in mittelbarer Bundesverwaltung ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 1 B-VG}) aus, er ist diesfalls dem BM für Inneres nachgeordnet und an dessen Weisungen gebunden ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 103, Art. 103 Abs. 1 B-VG}) . Die geschilderte Verfassungsrechtslage erlaubt es dem Bund auch, nur einzelne Bereiche der Organisation und Führung der Bundesgendarmerie unmittelbaren Bundesbehörden, andere Bereiche aber dem Landeshauptmann zu übertragen. Die geschilderte Verfassungsrechtslage erlaubt es weiters, einen solchen Bereich durch eine unmittelbare Bundesbehörde im einvernehmlichen Zusammenwirken mit dem Landeshauptmann versehen zu lassen; beide Behörden unterstehen diesfalls in Angelegenheiten dieses Bereiches dem BM für Inneres, seine volle Kompetenz als oberstes Organ des Bundes bleibt ungeschmälert. Hier werden der Landesgendarmeriekommandant gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 2 B-VG} und der Landeshauptmann gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 Abs. 3 B-VG} mit der einvernehmlichen Handhabung der Hoheitsgewalt des Bundes in einem gewissen Bereich der "Organisation und Führung der Bundesgendarmerie" betraut. Daß dieser Bereich bloß innerdienstlicher (verwaltungsinterner) Natur ist, ist hier rechtlich nicht von Bedeutung.
Organisationsangelegenheiten und Führungsangelegenheiten der Bundesgendarmerie sind nämlich in der Regel innerdienstlicher Natur.
Trotzdem gilt Art. 102 Abs. 2 und 3 B-VG für diese Angelegenheiten uneingeschränkt; die damit gemäß diesen Stellen des B-VG betrauten Organe sind unmittelbare bzw. mittelbare Bundesbehörden i. S. des Art. 102 B-VG. In § 16 Abs. 1 leg. cit. ist nicht davon die Rede, daß der Landeshauptmann bei Wahrnehmung der im Gesetz umschriebenen Aufgabe etwa nicht dem BM für Inneres unterstehen und daher etwa nicht an dessen Weisungen gebunden sein sollte. Nichts deutet darauf hin, daß der Gesetzesstelle ein solcher - verfassungswidriger (weil die Stellung des BM als oberstes Organ der Vollziehung beeinträchtigender) - Inhalt beizumessen ist. So wie der Landesgendarmeriekommandant ist hier auch der Landeshauptmann dem genannten BM nachgeordnet und an dessen Weisungen gebunden. Die angefochtene Gesetzesstelle widerspricht entgegen der Meinung der antragstellenden Landesregierung weder dem Art. 20 noch dem Art. 69 Abs. 1 oder dem Art. 76 Abs. 1 B-VG. Sie widerspricht auch nicht dem {Bundes-Verfassungsgesetz Art 102, Art. 102 B-VG}. Sie widerspricht auch nicht dem Gleichheitsgebot.
Nach Art. 16 Abs. 2 leg. cit. darf der BM die in Rede stehenden Maßnahmen nur auf Grund eines Vorschlages der beteiligten Landeshauptmänner treffen. Er darf sie aber nicht treffen, wenn kein Vorschlag vorliegt; wenn ein Vorschlag vorliegt, darf er diesen nur annehmen oder ablehnen (und auf einen anderen warten) , aber nicht von sich aus eine dem Vorschlag nicht entsprechende Maßnahme treffen.
Er kann nur eine Maßnahme setzen, der die Landeshauptmänner (durch ihren Vorschlag) zustimmen. Ein solcher Inhalt widerspricht der Vorschrift der Bundesverfassung, daß der BM ein oberstes Organ der Vollziehung ist, die die Anordnung miteinschließt, daß der BM bei der Handhabung seiner Zuständigkeiten (vom kollegialen Zusammenwirken aller oder mehrerer Mitglieder der Bundesregierung abgesehen) nicht an die Zustimmung eines anderen Organs gebunden werden darf (Art. 19 und 69 B-VG) .
Eine verfassungskonforme Auslegung (keine Bindung des BM an den Vorschlag des Landeshauptmannes oder Weisungsgebundenheit des Landeshauptmannes bei Erstattung des Vorschlages) ist nicht möglich.
Art. 102 Abs. 2 und 3 B-VG erlaubt es, Regelungen zu treffen, gemäß denen Angelegenheiten der Organisation und Führung der Bundespolizei in unmittelbarer Bundesverwaltung, Angelegenheiten der Organisation und Führung der Bundesgendarmerie in mittelbarer Bundesverwaltung wahrgenommen werden. Von dieser verfassungsgesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, kann nicht dem Gleichheitsgebot widersprechen. Dazu kommt unter anderen weiteren Erwägungen insbesondere noch die, daß alle Landeshauptmänner durch die angefochtene Regelung rechtlich gleich behandelt werden; Sitz der von der anfechtenden Landesregierung geltend gemachten "Bevorzugung" der Landeshauptmänner außer Wien und der "Benachteiligung" des Landeshauptmannes von Wien ist nicht die angefochtene Gesetzesstelle, sondern allein der Umstand, daß es in Wien keine Bundesgendarmerie gibt.