B11/72 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Enthält die Steiermärkische Gemeindeordnung nach Aufhebung der entsprechenden Bestimmung durch den VfGH keine Vorschrift mehr, derzufolge die Vorstellung schriftlich oder telegraphisch bei der Gemeinde einzubringen ist, so ist die Bestimmung des Art. 119 a Abs. 5 erster Satz B-VG heranzuziehen, wonach die Vorstellung "bei der Aufsichtsbehörde" erhoben werden kann. Dem kann nach Ansicht des VfGH nicht entgegengehalten werden, daß nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 115, Art. 115 Abs. 2 B-VG} "die Landesgesetzgebung das Gemeinderecht nach den Grundsätzen der folgenden Artikel dieses Abschnittes zu regeln" hat, denn daraus ergibt sich keineswegs, daß die im Abschnitt C des vierten Hauptstückes des B-VG getroffenen Regelungen ausnahmslos und unter allen Umständen erst in der durch den Landesgesetzgeber (Gemeinderechtsgesetzgeber) mediatisierten Form der Vollziehung zugänglich wären. Für die hier in Betracht kommende Stelle des Art. 119 a Abs. 5 erster Satz B-VG trifft dies nicht zu. Die Anordnung, daß die Vorstellung "bei der Aufsichtsbehörde" erhoben werden kann, ist inhaltlich so bestimmt, daß kein Grund ersichtlich ist, sie als der unmittelbaren Vollziehung unzugänglich anzusehen.
Die Rechtslage ist in diesem Punkt ähnlich jener, die der VfGH im Erk. Slg. 4106/1961 im gleichen Sinn beurteilt hat. Die gemäß § 94 Abs. 1 GemeindeO 1967 nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides bei der Stmk. Landesregierung (Aufsichtsbehörde gemäß § 97 Abs. 1 leg. cit.) eingebrachte Vorstellung ist rechtzeitig erhoben worden; sie war zulässig, wurde also rechtswidrigerweise zurückgewiesen. Daher Entzug des gesetzlichen Richters.