JudikaturVfGH

V18/71 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
29. Juni 1972

Die Z 3 in Abschnitt A des Art. I der Verordnung des Bundeskanzlers vom 4. Jänner 1965, BGBl. 4, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem VwGH wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Keine Bedenken gegen § 49 Abs. 1 VwGG 1965 im Hinblick auf {Bundes-Verfassungsgesetz Art 18, Art. 18 Abs. 2 B-VG} (wegen des Zusammenhanges mit den gesetzlichen Bestimmungen über den Rechtsanwaltstarif) .

Nach § 49 Abs. 1 VwGG 1965 muß das Ausmaß der Pauschbeträge den jeweiligen durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Schriftsatzeinbringung durch einen Rechtsanwalt entsprechen. Die Annahme, daß das Gesetz lediglich die im Zeitpunkt seiner Erlassung oder nur die im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung bestehende Höhe der durchschnittlichen Kosten als Maßstab vorschreibe, ist nämlich mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes unvereinbar. Das Ergebnis wäre lebensfremd. Das Pauschbetragsausmaß würde unabhängig von der Kostenentwicklung versteinert werden. Im Gesetz liegt, seinem Sinn und Zweck entsprechend, der Auftrag an den Verordnungsgeber, das Pauschbetragsausmaß der Kostenentwicklung, soweit erhebliche Veränderungen eintreten, anzupassen. Der Sinn und Zweck der Gesetzesstelle wird durch ihren Wortlaut unterstrichen, gemäß dem die Höhe der Pauschbeträge "festzustellen ist" . Wurde diese Feststellung gesetzmäßigerweise durch Verordnung getroffen, so wird die Verordnung gesetzwidrig, wenn erhebliche Veränderungen der Kostenentwicklung eintreten.

Der VfGH hält es für richtig, daß der Rechtsanwaltstarif bei der Ermittlung der durchschnittlichen Kosten in Betracht gezogen worden ist. Es ist ausgeschlossen, die durchschnittlichen Kosten der Einbringung von Schriftsätzen durch einen Rechtsanwalt i. S. des § 49 Abs. 1 VwGG 1965 zu ermitteln, ohne dabei auf den Rechtsanwaltstarif Bedacht zu nehmen.

Es braucht aber nicht untersucht zu werden, ob die Höhe der Pauschbeträge mit der Verordnung BGBl. 4/1965 im gesetzmäßigen Ausmaß festgestellt worden ist; es genügt die Aussage, daß die Pauschbeträge nicht überhöht festgestellt worden sind. In der Zwischenzeit sind die Sätze des Rechtsanwaltstarifs durch das Bundesgesetz BGBl. 189/1969 erheblich erhöht worden. Daraus ergibt sich eine erhebliche Erhöhung der durchschnittlichen Kosten i. S. des § 49 Abs. 1 VwGG 1965. Das Ausmaß des in Art. I Abschnitt A Z 3 der Verordnung BGBl. 4/1965 festgesetzten Pauschbetrages entspricht daher entgegen der Vorschrift des § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 56 zweiter Satz VwGG 1965 nicht mehr den um ein Viertel verminderten durchschnittlichen Kosten der Einbringung einer VwGH-Beschwerde durch einen Rechtsanwalt.

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