JudikaturVfGH

B225/71 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
28. Juni 1972

Nach § 134 Abs. 2 Z 1 Notariatsordnung (NotO) gehört zum Wirkungskreis der Notariatskammer insbesondere die Aufsicht über das Benehmen und die Geschäftsführung der Notare und Notariatskandidaten.

Diese Regelung ist insoweit eine nähere Ausführung des § 134 Abs. 1 NotO, der den Aufgabenbereich der Notariatskammer allgemein dahin umschreibt, daß ihr die Wahrung der Ehre und Würde des Standes und die Vertretung der Standesinteressen obliegt. Bei den in diesen Aufgabenbereich fallenden Angelegenheiten handelt es sich um typische Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der als Selbstverwaltungskörper eingerichteten Notariatskammer, die ihr zur weisungsfreien Besorgung nach eigener Willensbildung unter der bloß nachprüfenden Aufsicht der staatlichen Verwaltung vom Gesetzgeber überlassen worden sind, keineswegs aber um solche des ihr übertragenen Wirkungsbereiches. Der in Art. 102 Abs. 1 B-VG enthaltene Grundsatz über die Betrauung des Landeshauptmannes mit Aufgaben der Bundesverwaltung findet in bezug auf die Tätigkeit von Organen von Selbstverwaltungskörpern aber nur dann Anwendung, wenn diese in unterster Instanz zur Besorgung von Verwaltungsaufgaben im übertragenen Wirkungsbereich berufen sind (vgl. Slg. 2978/1956) .

Daher keine Bedenken gegen § 138 Abs. 1 NotO.

Wie der VfGH in seinem Erk. Slg. 5129/1965 in bezug auf die Einrichtung von Rechtsanwaltskammern ausgesprochen hat, umfaßt der hier in Betracht kommende Kompetenztatbestand des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 10, Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG} ("Angelegenheiten der Notare, der Rechtsanwälte und verwandter Berufe") die Angelegenheiten der Rechtsanwälte einschließlich der Einrichtung ihrer beruflichen Vertretungen, und zwar gleichgültig, ob sich diese auf das ganze Bundesgebiet erstrecken oder nicht. Dies gilt entsprechend für die Einrichtung von beruflichen Vertretungen der Notare in Form von Notariatskammern. Aus dem Inhalt des erwähnten Kompetenztatbestandes läßt sich keine Verpflichtung des Bundesgesetzgebers ableiten, bei der Einrichtung der in Rede stehenden beruflichen Vertretungen irgendwelchen zentralistischen Organisationsformen den Vorzug zu geben.

§ 134 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 NotO schließt behördliche Maßnahmen der Notariatskammer in Ausübung der ihr übertragenen Aufsichtspflicht keineswegs aus, sondern bildet vielmehr deren gesetzliche Grundlage.

Die Notariatskammer ist daher befugt, sowohl generelle wie auch insbesondere individuelle Normen über das Benehmen und die Geschäftsführung der Notare und Notariatskandidaten zu erlassen.

Zurechnung zweier vom Präsidenten der Notariatskammer ausgefertigter Bescheide an die Notariatskammer.

Gemäß § 134 Abs. 2 Z 1 NotO gehört zum Wirkungskreis der Notariatskammer u. a. die Aufsicht über das Benehmen und die Geschäftsführung der Notare und Notariatskandidaten ihres Sprengels.

Nimmt ein Zivilgericht die Bestellung eines Notars oder Notariatskandidaten zum Kurator vor, so erfolgt dies, wie insbesondere die §§ 199 und 280 ABGB erweisen, stets im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu diesem Berufsstand, der eine besondere Sachkunde und Vertrauenswürdigkeit erwarten läßt. Aus dem Umfang des in § 134 Abs. 2 Z 1 NotO normierten Aufsichtsrechtes folgt, daß der Notariatskammer das Aufsichtsrecht über Standesangehörige nicht bloß hinsichtlich der Geschäftsführung, sondern auch in bezug auf solche Tätigkeiten obliegt, die Notaren und Notariatskandidaten im Hinblick auf ihre berufliche Stellung durch einen behördlichen Akt übertragen werden.

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